Sicherheitsleuten war der Attentäter von Frankfurt unbekannt. Er soll sich schnell radikalisiert haben. Das Motiv für seine Bluttat fand er im Internet.
Berlin/Hamburg. Arid U. radikalisierte sich innerhalb von Monaten, vielleicht nur Wochen. Und er hinterließ Spuren im Netz. Darauf deuten die ersten Ermittlungen nach dem Attentat am Frankfurter Flughafen hin, bei dem der 21 Jahre alte U. zwei US-Soldaten in einem Militärbus am Terminal 2 erschoss. Nach dem bisherigen Ermittlungsstand handelt es sich bei dem Angriff um den ersten tödlichen Anschlag mit islamistischem Hintergrund in Deutschand. Erst vor wenigen Tagen hat Arid U. den Kampfnamen "Abu Reyyan" angenommen und zumindest über das Netzwerk Facebook Kontakt zu dem marokkanischen Hassprediger Scheich Abdellatif gehabt.
Dieser wird schon länger von der Polizei beobachtet und predigte zuletzt in einer Frankfurter Moschee. Abdellatif spielte wohl eine entscheidende Rolle bei der Radikalisierung von Arid U. Hessens Innenminister Boris Rhein prüft ein schärferes rechtliches Vorgehen gegen den Frankfurter Prediger und dessen radikal-islamischer Vereinigung "Dawaffm" - Einladung zum Islam, so der unauffällige Name.
Die Bundesanwaltschaft hat die Aufklärung des Anschlags an sich gezogen. Beim Bundeskriminalamt und dem Verfassungsschutz habe es keine Erkenntnisse zu U. gegeben, hieß es aus Sicherheitskreisen. "Das ist ein Attentat, das aus dem Nichts kommt", erklärte Rhein. Im Eiltempo soll sich Arid U. radikalisiert haben. Instant-Dschihadisten nennen Experten diese Einzeltäter.
Arid U. wurde unmittelbar nach dem Anschlag festgenommen und hat seine Tat inzwischen gestanden. Das Motiv für die tödlichen Schüsse auf US-Soldaten ist offenbar Hass auf US-Soldaten. Laut eines Lageberichts des Landeskriminalamts Hessen, der dem ARD-Magazin "Panorama" vorliegt, hat Arid U. in einer ersten Vernehmung angegeben, dass er im Internet auf ein Video mit "schlimmen Bildern" von amerikanischen Militärs gestoßen sei. Das Video zeige, wie US-Soldaten in Afghanistan ein Haus plündern und ein Mädchen vergewaltigen.
Im Netz veröffentlichte Arid U. auch seine Parolen. Der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Bernhard Witthaut, hob im Hamburger Abendblatt hervor, dass es jetzt vor allem darauf ankomme, die Kommunikation der Islamisten im Internet besser zu überwachen, um Anschlägen vorzubeugen. Der hessische Verfassungsschutzpräsident Roland Desch sprach noch nicht von einem "home-grown" Terroristen. Arid U. sei aber ein Beleg dafür, wie schnell sich einzelne Menschen radikalisieren könnten.
"Abu Reyyan" hielt sich bereits seit 1991 in Deutschland auf. Auch in seiner Heimat ist der 21-Jährige nicht als Terrorist bekannt. Laut CNN soll er sowohl einen deutschen als auch einen jugoslawischen Pass besitzen. Am 8. Februar 1990 wurde er in einem Dorf im Norden des Kosovo geboren. Teile seiner Familie seien schon vor Jahren nach Deutschland ausgewandert. Sie sind keine Flüchtlinge. Arid U. hatte in der Nähe des Frankfurter Flughafens einen Aushilfsjob. Er arbeitete seit Januar im Internationalen Postzentrum am größten deutschen Flughafen, wenige Gehminuten vom Terminal 2 entfernt. In seinem polizeilichen Führungszeugnis seien keine Auffälligkeiten festgestellt worden, sagte ein Post-Sprecher.
Bisher ist unklar, ob es Hintermänner des Attentats gab. Doch auch mit dem bekannten deutsch-syrischen Dschihadisten Rami M. soll der Täter befreundet gewesen sein. Das sagte eine Nachbarin des Attentäters und seiner Eltern aus. In dem Plattenbau im Frankfurter Stadtteil Sossenheim habe zeitweise auch Rami M. gewohnt. Er sitzt in Untersuchungshaft wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Rami M. besuchte auch die Taiba-Moschee in Hamburg, in der sich auch die Attentäter vom 11. September trafen.
Als der neue Innenminister Hans-Peter Friedrich sich gestern zum Attentat äußerte, war er keine zwei Stunden im Amt. Er stellte klar, dass er eine Anhebung der Sicherheitsstufe und der Polizeipräsenz nicht für notwendig halte. Laut Friedrich arbeiten die Behörden eng mit den US-Dienststellen zusammen.
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) telefonierte mit seiner amerikanischen Amtskollegin Hillary Clinton und sicherte eine vollständige Aufklärung des Anschlags zu. US-Präsident Barack Obama sprach den Opfern und deren Familien sein Mitgefühl aus. Der Angriff "hat mich zutiefst betroffen gemacht und empört", sagte er in einer schriftlichen Stellungnahme.