Fregatten mit Hubschraubern sollen Bundesbürger vor dem Söldner-Terror retten

Hamburg. Angesichts des blutigen Chaos in Libyen und einer Massenflucht verzweifelter Libyer in die Nachbarstaaten sowie über das Mittelmeer bemühen sich Deutschland und zahlreiche andere Staaten, ihre Bürger unbeschädigt aus dem nordafrikanischen Land herauszuholen. Die EU-Kommission kündigte an, sie werde insgesamt 10 000 Bürger der Union ausfliegen.

Gestern Abend nahm ein Verband der Deutschen Marine im Mittelmeer Kurs auf Libyen, um Bundesbürger in Sicherheit zu bringen. Nach Informationen der "Kieler Nachrichten" besteht er aus dem Einsatzgruppenversorger "Berlin" und den beiden Fregatten "Brandenburg" und "Rheinland-Pfalz". Die Schiffe, die auch Hubschrauber tragen, werden heute Mittag vor der libyschen Küste erwartet. An Bord sind fast 600 Marinesoldaten. Mit den Helikoptern sollen bei einem Ausfall des Flughafens Tripolis die Deutschen von Orten an der Küste abgeholt werden.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte, vermutlich hielten sich noch rund 250 Deutsche in Libyen auf - 150 in der umkämpften Hauptstadt Tripolis und weitere 100 im Landesinnern. Gestern Abend brachten der Kanzler-Airbus "Konrad Adenauer" und eine Lufthansa-Sondermaschine deutsche und Passagiere aus anderen europäischen Ländern aus Tripolis nach Deutschland. Bislang sollen keine Deutschen in den libyschen Wirren zu Schaden gekommen sein.

Die Türkei setzte die größte Evakuierungsaktion ihrer Geschichte in Gang - 25 000 Türken sollen in Libyen leben. 3000 von ihnen wurden mit einer Fähre in Sicherheit gebracht. Wie viele Todesopfer es bei dem Aufstand bislang gegeben hat, ist unklar. Nach Quellen der italienischen Regierung könnten es weit über 1000 Tote sein; ein gerade aus Libyen zurückgekehrter französischer Arzt sagte dagegen, es habe allein in der ostlibyschen Stadt Bengasi, die inzwischen von Aufständischen kontrolliert wird, mehr als 2000 Tote gegeben.

Machthaber Oberst Muammar al-Gaddafi soll sich mit ihm ergebenen Truppen in einer Kaserne in Tripolis verschanzt haben. Der Osten des Landes, Teile der Armee sowie mehrere Stämme sind von ihm abgefallen. Seine Anhänger terrorisieren indessen die Bevölkerung. Aus Tripolis berichteten Augenzeugen, Schergen des Regimes und schwarzafrikanische Söldner feuerten wahllos auf die Menschen, Frauen würden vergewaltigt. In der Stadt herrschten Todesangst und albtraumhafte Zustände. Die öffentliche Ordnung sei weitgehend zusammengebrochen. Italiens Innenminister Frattini befürchtet einen "biblischen Exodus" von 300 000 libyschen Flüchtlingen über das Mittelmeer nach Europa.

Der aus Protest gegen die Gewaltanwendung zurückgetretene libysche Justizminister Mustafa Abdel Dschalil sagte der schwedischen Zeitung "Expressen", er habe Beweise, dass Gaddafi das Attentat von Lockerbie im Jahre 1988 persönlich befohlen habe. Bei dem Bombenanschlag auf Flug 103 der Pan Am waren 270 Menschen ums Leben gekommen. Die Maschine war in 9400 Meter Höhe über dem schottischen Ort Lockerbie explodiert.