Initiative der Arbeitsministerin von der Leyen gegen Fachkräftemangel geht der FDP nicht weit genug. Opposition kritisiert auch.
Berlin. Der Vorstoß von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), den Arbeitsmarktzugang für ausländische Fachkräfte zu erleichtern, hat in der schwarz-gelben Koalition ein geteiltes Echo ausgelöst. FDP-Generalsekretär Christian Lindner sprach von einem kleinen Schritt in die richtige Richtung, während CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt vor einer Lockerung der Zuwanderungsregeln warnte.
"Deutschland muss attraktiver werden für Fachkräfte aus dem Ausland, damit der Mangel an Fachkräften nicht zum Mangel an Wirtschaftswachstum führt", sagte Lindner dem Hamburger Abendblatt. "Ein großer Wurf schließt deshalb auch die Reduzierung der Einkommensschwellen und die Einführung eines Punktesystems ein." Dagegen nannte es Dobrindt "völlig verantwortungslos, jetzt neue Zuwanderungserleichterungen zu schaffen und damit in großem Stil ausländische Arbeitskräfte ins Land zu lassen". Das ginge zu Lasten der drei Millionen Arbeitslosen in Deutschland, sagte er dem Abendblatt. "Wer die Zuwanderungsregeln lockert, der verabschiedet sich vom Ziel Vollbeschäftigung", so Dobrindt. "Es muss weiter das Prinzip gelten: Qualifizierung vor Zuwanderung."
Von der Leyen hatte mitgeteilt, dass sie in ihrem Ministerium eine Liste von Berufen erstellen lässt, bei denen erwogen wird, die sogenannte Vorrangprüfung befristet auszusetzen. Die Vorrangprüfung führt dazu, dass Arbeitgeber prinzipiell nur dann eine ausländische Fachkraft einstellen dürfen, wenn die Arbeitsagentur nachweislich keinen inländischen Bewerber findet. Eine Lockerung durch den Verzicht auf die Prüfung sei nach den derzeit vorliegenden Daten vor allem für Elektro-, Maschinenbau- und Fahrzeugingenieure sowie Ärzte nötig, sagte von der Leyen dem "Handelsblatt". Für eine solche "Positivliste" spreche vor allem die größere Transparenz. "Die Unternehmen und ihre ausländischen Bewerber wissen dann direkt, woran sie sind." Sie werde ihr Konzept noch im Dezember der Regierungskoalition zur Beratung vorlegen, kündigte die Bundesarbeitsministerin an.
Unter Leitung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will die Koalition bei einem Spitzentreffen am 9. Dezember nach einem Kompromiss suchen. Dort will von der Leyen ihren Vorschlag präsentieren, der im ersten Quartal 2011 umgesetzt werden könnte.
Kritik an den Plänen der Ministerin kam aus der Opposition. "Der Vorschlag von Frau von der Leyen geht am eigentlichen Problem vorbei. Zugangsmöglichkeiten für Hochqualifizierte haben wir bereits", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier dem Abendblatt. "Beim Facharbeitermangel, wo wir dringend Lösungen brauchen, verschärft Frau von der Leyen dagegen die Probleme." Bei der Bundesagentur für Arbeit habe die Regierung 1,3 Milliarden Euro an Mitteln für Qualifikationsmaßnahmen gestrichen. "Wenn wir die Weichen auf Vollbeschäftigung stellen wollen, müssen wir dringend in die Ausbildung von Jugendlichen in Deutschland investieren", forderte Steinmeier.
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt begrüßte die Initiative der Arbeitsministerin, die Vorrangprüfung für Mangelberufe auszusetzen. "Die deutsche Wirtschaft braucht dringend ein Sofortprogramm, um den in mehreren Berufen und Branchen bestehenden beziehungsweise sich verschärfenden Fachkräftemangel abzuwenden", sagte Hundt dem Abendblatt. Neben einer am Bedarf des Arbeitsmarkts ausgerichteten Zuwanderungspolitik müsse aber auch "das inländische Potenzial an Arbeitskräften wie Frauen, Ältere und Migranten besser in den Arbeitsmarkt integriert werden". Der Arbeitgeberpräsident verwies darauf, dass die deutsche Wirtschaft jährlich mehr als 50 Milliarden Euro in die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investiere.
Vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag erhielt von der Leyen ebenfalls Zuspruch für ihren Vorstoß. "Die Ministerin setzt an der richtigen Stelle an", sagte DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann. "Bislang schrecken die Unternehmen häufig davor zurück, Fachkräfte im Ausland zu suchen, weil sie die hohen bürokratischen Hürden scheuen."