Die Kommunen rechnen mit nur maximal 15 Prozent Anteil an den Mehreinnahmen. Arbeitnehmer laut Gewerkschaft im Nachteil.
Berlin. Der Bund der Steuerzahler und die Steuergewerkschaft sind sich einig: Die Absicht von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), die Abgabe der Steuererklärung für Arbeitnehmer künftig auf einen zweijährigen Rhythmus umzustellen, birgt mehr Fragen als Antworten. Bei der geplanten Verlängerung der Abgabefristen "dürfte der Teufel im Detail stecken", sagte der Vizepräsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel, dem Abendblatt. Bislang sei völlig offen, wer wann welches Recht anwenden könne oder müsse. Holznagel kritisierte zudem, dass von den ursprünglich 90 Vorschlägen zur Steuervereinfachung nicht viel übrig geblieben sei. "Die gegenwärtig vorliegenden Vorschläge müssen genau geprüft werden, schließlich sollen auch die Steuerzahler von einer Vereinfachung des Steuerrechts profitieren und nicht nur die Finanzverwaltung", forderte er.
Auch die Steuergewerkschaft kritisierte, dass Arbeitnehmer kaum zwei Jahre auf eine Rückzahlung von zu viel gezahlten Steuern warten dürften. Auch der Staat sollte ein Interesse daran haben, dass zu wenig entrichtete Steuern rasch nachgezahlt werden. Dies betreffe etwa Gewerbetreibende oder Freiberufler. Ein Sprecher des Finanzministeriums bezifferte gestern den Umfang möglicher Entlastungen durch Steuervereinfachungen auf "500 Millionen Euro für alle Ebenen". Darüber wolle am 9. Dezember der Koalitionsausschuss beraten. Der neue Steuererklärungs-Modus soll ein zentraler Punkt bei der ab 2012 geplanten Steuervereinfachung sein.
Unterdessen erteilte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erneut den Erwartungen an rasche Steuersenkungen eine Absage. Dafür gebe es aus ihrer Sicht "keinerlei Spielraum", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Er betonte: "Das betrifft ganz sicher den Rest des Jahres 2010 und das Jahr 2011. Und dann sehen wir weiter." Am Wochenende waren Forderungen laut geworden, wegen wieder anziehender Steuereinnahmen die Möglichkeiten für Abgabensenkungen zu nutzen. So stellte inzwischen auch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) trotz des Sparkurses spürbare Erleichterungen in Aussicht. Wenn die Haushalte stabil seien, habe Deutschland auch wieder Handlungsspielräume, die Steuern und Abgaben zu senken, sagte er der "Leipziger Volkszeitung". Noch sei es zwar zu früh, über die Höhe möglicher Entlastungen zu sprechen. "Aber es werden mehr als 2,50 Euro sein."
Wie hoch die Mehreinnahmen in diesem und im kommenden Jahr ausfallen, wird ab heute der Arbeitskreis Steuerschätzung drei Tage lang in Baden-Baden errechnen. Aus der Vorlage des Bundes geht hervor, dass sich Bund, Länder und Kommunen bis 2012 auf mögliche Steuermehreinnahmen von fast 62 Milliarden Euro einstellen können. Danach rechnet der Bund für das laufende Jahr mit einem Einnahmeplus für den Gesamtstaat von 16,6 Milliarden Euro im Vergleich zur Steuerschätzung vom Mai. 2011 könnten es im Vergleich zu den bisherigen Planungen 22,1 Milliarden sein und im Jahr 2012 rund 23 Milliarden Euro.
Wenig optimistisch jedoch zeigte sich vor Beginn der Schätzung der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB). "Selbst die guten Steuereinnahmen werden das zentrale Problem der Kommunen, nämlich die immer weiter steigenden Soziallasten, nicht lösen können", sagte DStGB-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg dem Abendblatt. Landsberg stellte zudem fest, dass nur ein geringer Anteil der erwarteten Mehreinnahmen bei den Kommunen ankommen würde. An den Mehreinnahmen seien die Kommunen nur mit rund zwölf bis 15 Prozent beteiligt. "Das liegt unter anderem daran, dass sich die Körperschaftssteuer besonders gut entwickelt, die Kommunen an dieser Steuer aber gar nicht beteiligt sind", sagte der DStGB-Hauptgeschäftsführer.
Da die Kommunen wegen ihrer Sozialausgaben von einem Defizit in diesem Jahr in zweistelliger Milliardenhöhe ausgingen, werde überdeutlich, dass ihre strukturelle Unterfinanzierung nur zu lösen sei, wenn sie bei den Sozialkosten entlastet würden, sagte Landsberg. "Das gilt insbesondere für die Grundsicherung im Alter, die die Kommunen mit 3,9 Milliarden Euro finanzieren, die Eingliederungshilfe für Behinderte mit über zehn Milliarden und die Unterkunftskosten für Hartz-IV-Empfänger mit rund elf Milliarden Euro", rechnete der DStGB-Hauptgeschäftsführer vor.
Hier brauche man endlich eine Lösung, damit die Kommunen mehr in die Bildung, die Kinderbetreuung und die sonstige Infrastruktur investieren könnten und so auch zusätzliche Arbeitsplätze vor Ort schafften.