"Auseinandersetzungen gehören zur Demokratie, und ein Parlament ist kein Gesangverein." Heiner Geißler (CDU) muss es wissen, denn immerhin mischt er seit 60 Jahren in der Politik mit. Allerdings nicht immer zur reinen Freude seiner Parteifreunde, die ihn zuweilen weniger für einen Querkopf denn für einen Quertreiber gehalten haben.
Aber jetzt hat man ihn wieder einmal zu Hilfe gerufen. Wie so oft, wenn es in Tarifkonflikten irgendwo nicht weiterging. In Stuttgart soll Geißler die Kohlen aus dem Feuer holen. Dort soll er den Streit um das milliardenschwere Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 schlichten, obwohl ein Kompromiss zwischen Bauen und Nicht-Bauen unvorstellbar ist. Ein kleines Wunder müsste also her, und dem ehemaligen CDU-Generalsekretär wird zugetraut, es zu bewirken. Diesem Mann, der mit 80 noch in den Alpen herumklettert und daheim in der Südpfalz zur Freude der Familie einen sehr guten Wein anbaut.
Beide Seiten, Befürworter und Gegner von Stuttgart 21, halten Geißler erstaunlicherweise für ihren Mann. Das ehrt diesen klugen Kopf, der im Verlauf seines Politikerlebens immer wieder überraschende Positionen bezogen und unkonventionelle Ideen entwickelt hat. Wenn Geißler den Streit entgiften könnte, wäre schon viel gewonnen. Wie pflegt er zu sagen? "Warum sollte man sich hassen, wenn man unterschiedlicher Meinung ist?" Eben.