Erneut protestieren Zehntausende gegen Bahnhofsprojekt. “Mappus wollte Blut sehen“
Hamburg. Nach dem massiven Polizeieinsatz gegen Gegner des umstrittenen Bahnprojekts Stuttgart 21 mit mehr als 100 Verletzten haben die Grünen zu bundesweiten Demonstrationen gegen das Bauvorhaben aufgerufen. "Wir demonstrieren überall im Land, um den Menschen in Stuttgart unsere Solidarität zu bekunden", sagten die Parteivorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir. Das "brachiale und äußerst brutale Vorgehen der Polizei" gegen friedliche Demonstranten sei "durch nichts zu rechtfertigen".
Am Hamburger Hauptbahnhof organisierte die Hamburger GAL am Freitagabend eine Mahnwache. Daran nahmen etwa 30 Personen teil, darunter auch GAL-Landeschefin Katharina Fegebank und Justizsenator Till Steffen. Auch in Berlin und anderen deutschen Städten gab es Aktionen.
Am Donnerstag war es bei den seit Wochen andauernden Protesten gegen Stuttgart 21 zur Eskalation gekommen. Nach Behördenangaben wurden 130 Demonstranten beim Polizeieinsatz von Wasserwerfern und Pfefferspray verletzt, die Organisatoren sprachen von einer weit höheren Zahl von Verletzten. Auch am gestrigen Freitagabend versammelten sich im Stuttgarter Schlossgarten erneut Zehntausende, um gegen den "Wahnhof" - den geplanten unterirdischen Bahnhof, der mehrere Milliarden Euro kosten soll - zu demonstrieren. Dabei blieb es zunächst friedlich.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte das umstrittene Bauvorhaben und verband es mit der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 27. März. Bei der Wahl gehe es auch um die Zukunftsfähigkeit des Landes insgesamt, sagte Merkel im SWR. Zu den Protesten vom Donnerstag sagte sie: "Ich wünsche mir, dass solche Demonstrationen friedlich verlaufen. Das muss immer versucht werden, und alles muss vermieden werden, was zu Gewalt führen kann."
Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU) gab den Demonstranten die alleinige Schuld für die Gewalt. "Wir haben im Augenblick keinerlei Anhaltspunkte für Fehlverhalten der Polizei." Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) rief die Projektgegner auf, den Gesprächsfaden mit den Befürwortern wieder aufzunehmen. "Ich habe immer gesagt, dass meine Hand ausgestreckt bleibt." Das "Jahrhundertprojekt" Stuttgart 21 dürfe aber nicht infrage gestellt werden.
Grünen-Chef Özdemir warf dem Regierungschef vor, auf Eskalation zu setzen: "Herr Mappus wollte Blut sehen." Es sei kein Zufall gewesen, dass die Räumung des Schlossplatzes während einer Schülerdemonstration begonnen habe. "Das gehört sich einfach nicht", so Özdemir. Auch das Aktionsbündnis gegen das Bahnprojekt lehnte Mappus' Gesprächsangebot ab: "Mit Falschspielern verhandeln wir nicht", sagte Carola Eckstein, Sprecherin der "Parkschützer". Das Vorgehen der Polizei gegen die Stuttgart-21-Gegner habe Mappus zu verantworten. "Er hat Fakten geschaffen, nur um seine Macht zu demonstrieren." Nur nach einem Baustopp seien Gespräche möglich.
Vor den neuen Protesten am Freitag waren wieder mehrere Hundertschaften Polizei in der Innenstadt in Bereitschaft. Doch sie mussten bis zum späten Abend nicht eingreifen. "Es ist sehr voll hier", sagte eine Polizeisprecherin dem Abendblatt. "Aber es ist auch sehr friedlich."