Klaus Dahm, 52 Chefredakteur von “Grazia“
Am 11. September 2001 sollte ich als Chefredakteur der "Petra" zur New York Fashion Week reisen. Eine Kollegin war bereits einige Stunden vor mir geflogen, und auch ich saß schon im Anschlussflieger in Frankfurt, als der Pilot durchsagte: "Es gibt ein kleines Problem, bitte verlassen Sie die Maschine und kehren Sie in das Flughafenterminal zurück." Dort sah ich auf einem Monitor einen rauchenden Turm des World Trade Centers, hielt es aber bloß für einen ungefährlichen Hochhausbrand. Als ich dann aber in die Senator-Lounge gelangte und dort vor den Bildschirmen Trauben von Menschen erblickte, wurde mir sofort klar, dass sich eine Katastrophe viel größeren Ausmaßes ereignet haben musste - ein terroristischer Anschlag.
Zufälligerweise traf ich hier einige aufgeregte Kolleginnen aus der "Petra"-Redaktion, die eigentlich von einem anderen Pressetermin nach Hamburg zurückfliegen sollten. "Wir fliegen keinesfalls", erklärten sie mir, "wir fahren mit dem Zug!" - es kursierte das Gerücht, dass auf alle europäischen Flughäfen ebenfalls Attacken geplant seien.
In solchen Situationen reagiere ich instinktiv nüchtern: Zuerst versuchte ich den nächsten Flieger nach New York zu buchen, doch die Route über den Nordatlantik war gesperrt. Und wie ich erfuhr, war meine Kollegin in der früheren Maschine nach Grönland umgeleitet worden: Dort sollten sie und andere Besucher der Fashion Week eine Woche in einer Turnhalle sitzen und sich um frische T-Shirts und Schokoriegel rangeln. Ich flog also nach Hamburg zurück in die Redaktion, wo wir uns alle vor dem Fernseher versammelten und gemeinsam das Desaster verfolgten.
Es hatte auch einen Hauch von Voyeurismus an sich, eine solche Katastrophe in Echtzeit zu verfolgen - derartige Bilder, dazu live, hatte es noch nicht gegeben. Ich weiß noch, wie mich die Erschütterung mit Zeitverzögerung traf: als ich sah, wie sich Menschen aus den Fenstern des World Trade Centers in den Tod stürzten. Da war nur noch Entsetzen.
Wir konnten uns kaum vom Fernseher lösen und heimgehen, offenbar hatte jeder Einzelne von uns das Bedürfnis, mit Menschen, die ihm nahestehen, ein wenig Nestwärme zu produzieren. Abergläubisch bin ich nicht: Diesen Sonnabend, dem 11.9., sitze ich wieder im Flugzeug, wieder nach New York zur Fashion Week.