Das FDP-Mitglied Christoph Giesa mobilisiert das Internet für den Kandidaten von Rot-Grün
Hamburg. Nur ein paar Stunden waren seit dem Rücktritt von Horst Köhler vergangen, als sich Christoph Giesa an seinen Computer setzte. Der Moment war gekommen. Nach sechs Jahren, in denen er die Idee mit sich herumgetragen hatte. Der 29-jährige Hamburger loggte sich bei Facebook ein und tippte: "Joachim Gauck als Bundespräsident". Da war sie geboren, die größte Unterstützergruppe, die es heute im Internet für den ehemaligen DDR-Bürgerrechtler gibt.
Giesa, das muss man dazu sagen, ist Mitglied der FDP. Er war Vorsitzender der Jungen Liberalen in Rheinland-Pfalz, wäre um ein Haar ins Europaparlament eingezogen. Und Giesa verehrt Joachim Gauck. Seit Jahren schon. "Er ist ein Verfechter vieler liberaler Ideen und demokratischer Grundwerte", sagt Giesa, "deshalb wäre er für das Amt der beste Kandidat."
Schon 2004 habe er Gauck bei seiner Partei für die Nachfolge von Johannes Rau ins Gespräch gebracht. Vergeblich allerdings, wie man heute weiß. Als das Amt des Bundespräsidenten dann am 31. Mai 2010 überraschend vakant wurde, witterte Giesa erneut seine Chance und setzte via Facebook auf die Kraft der vielen. Und die kamen zwei Tage später, als Grüne und SPD Gauck zu Giesas großer Überraschung nominierten.
Mehr als 36 000 Mitglieder sind heute in seiner Gruppe vereint. Sie produzieren Gauck-Filme und Gauck-Lieder, organisieren Gauck-Demonstrationen und entwerfen Gauck-T-Shirts, Gauck-Fahnen, Gauck-Teddys. Gauck-Hype. Massenhaft. "Das heißt aber nicht, dass er für die User ein Guru oder so etwas ist", sagt Giesa, "er ist einfach authentisch, und das schätzen die Leute." Ob ihr Engagement jedoch Auswirkungen auf die Bundesversammlung hat, darüber kann auch Giesa nur spekulieren. "Auf jeden Fall wird das auch von den Wahlleuten wahrgenommen", sagt er, "und die müssen sich jetzt genau überlegen, was sie machen."
Vor Kurzem hat Giesa Gauck persönlich kennengelernt - als der 70-Jährige im Deutschen Theater in Berlin seine Grundsatzrede hielt. Entstanden ist ein gemeinsames Foto. Gauck rechts, Giesa links. Auf seinem Facebook-Profil steht es jetzt ganz weit oben.
Koalitionskandidat Christian Wulff ist nicht entgangen, dass da im Internet für seinen Konkurrenten intensiv geworben wird. Mit Blick auf Giesas Kampagne sagte er der "Rheinischen Post": "Die Anti-Parteien-Stimmung mancher Anhänger Joachim Gaucks ist gefährlich, denn wir brauchen Hunderttausende, die sich ehrenamtlich und freiwillig vor allem auf kommunaler Ebene für ihre Gemeinde engagieren und sich Zeit dafür nehmen."
Giesa antwortete gestern mit einem offenen Brief. "Wir planen keine Revolution", schrieb er in seinem Internetblog. Die Gruppe sei überparteilich, eine "dreistellige Zahl" der Mitglieder stamme aus der CDU, und von der FDP seien "mehrere Hundert Parteimitglieder bei uns organisiert".