Kanzlerin verteidigt vor G20-Gipfel den Sparkurs der Regierung gegen Kritik aus den USA
Berlin. Unmittelbar vor Beginn des G20-Gipfels wehrt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) energisch gegen den amerikanischen Vorwurf, mit ihrem Sparkurs die Erholung der Weltwirtschaft zu gefährden.
Merkel machte gestern deutlich, dass sie sich bei dem heute beginnenden Gipfel in Kanada keinen Forderungen beugen wolle, vom Sparkurs abzuweichen. Die Konsolidierung gefährde nicht die Wirtschaftserholung, sondern unterstütze diese sogar. Es dürfe nicht vergessen werden, dass Deutschland Rekordschulden auf sich genommen habe, um die Weltkonjunktur und den Konsum zu stimulieren, sagte die Bundeskanzlerin. Auch in diesem Jahr gebe die Bundesregierung mit 2,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts mehr für Konjunkturmaßnahmen aus als viele andere Länder, unterstrich sie im "Wall Street Journal". Diese Haltung, so Merkel, habe sie auch im Gespräch mit dem US-Präsidenten vertreten.
Barack Obama warnt vor einer zu raschen Abkehr von konjunkturstützenden Maßnahmen und hatte Merkel in einem Telefonat aufgefordert, die globalen Wachstumskräfte zu fördern. Die US-Regierung ist der Ansicht, dass es noch nicht an der Zeit ist, die zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise aufgelegten Konjunkturprogramme stark zurückzufahren. Auch amerikanische Wirtschaftsexperten hatten den deutschen Sparkurs kritisiert. Der US-Großspekulant George Soros riet der Bundesregierung sogar zum Euro-Austritt - sonst könne ganz Europa in die Deflation gerissen werden.
Auch bei der Forderung aus den USA, sich beim Wachstum nicht zu sehr auf den Export zu verlassen, zeichnet sich bislang keine Annäherung der Positionen ab. Merkel sagte, es nütze niemandem, die deutsche Wettbewerbsstärke künstlich zu schwächen.
Unterstützung für die deutsche Position kommt vom Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet. Der Zeitung "La Repubblica" sagte er, es sei eine falsche Vorstellung, Sparmaßnahmen könnten eine Stagnation in der Euro-Zone auslösen. Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) argumentierte im "Handelsblatt", von einer Vollbremsung könne nicht die Rede sein, sondern von einem die Wachstumskräfte freisetzenden Drosseln der Neuverschuldung.
Der Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs bezeichnete es gegenüber dem Abendblatt als "Frage der wirtschaftlichen Notwendigkeit, dass der deutsche Haushalt konsolidiert werden muss". Jeder sollte "da vor seiner Türe kehren und sich mit guten Ratschlägen zurückhalten", sagte er mit Blick auf die Kritik der USA. Problematisch sei vielmehr, dass das Sparpaket der Koalition bislang nur aus "Luftbuchungen" bestehe. Ähnlich argumentierte der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider. "Der Schuldenabbau bleibt die zentrale Aufgabe für die Politik, auch um wieder Gestaltungsspielraum zu gewinnen", sagte er dem Abendblatt. Jedoch sei das Sparkonzept der Regierung weder seriös noch nachhaltig.