Verfasser des Berichts sehen Gefahr, dass Verbesserungen in der Kinderbetreuung mit Einführung des Geldes auf der Strecke bleiben.
Berlin. Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer verteidigt das umstrittene schwarz-gelbe Projekt: Das von der Koalition geplante Betreuungsgeld für Ein- und Zweijährige sei „eine Investition in Bildung und daher unentbehrlich im Bildungssetting“, sagte die CSU-Politikerin. Auch im PISA-Siegerland Finnland gebe es für die elterliche Betreuung der Kleinstkinder ein Betreuungsgeld. „Der Bericht hebt zu Recht die zentrale Funktion von Eltern heraus“, sagte Haderthauer. Die Ministerin reagiert damit auf den neuen nationalen Bildungsbericht von Bund und Ländern, der eindringlich vor der Einführung eines Betreuungsgeldes warnt.
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Der Ausbau der Kindertagesstätten, die Einlösung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Unter-Dreijährige sowie dringend notwendige qualitative Verbesserungen in Kinderkrippen wie Kindergärten stellten den Staat jetzt schon vor erhebliche finanzielle Herausforderungen. Darauf verweist der Bericht. Bei zusätzlichen Leistungen - wie dem Betreuungsgeld - bestehe dagegen die Gefahr, dass keines der angestrebten Ziele zufriedenstellend erreicht werden kann.
Der Bildungsbericht ist gemeinsam vom Bundesbildungsministerium und der Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder bei namhaften Wissenschaftlern in Auftrag gegeben worden. Er soll an diesem Freitag in Berlin veröffentlicht werden.
Die Wissenschaftler verweisen in ihrer Analyse auf verschiedene aktuelle Untersuchungen, die den Nutzen frühkindlicher Bildung in Betreuungseinrichtungen eindeutig belegten. So verfügten Kinder, die vor ihrer Einschulung mindestens drei Jahre eine Kita besuchten, in der vierten Grundschulklasse beim Lesen und beim Textverständnis in der Regel über einen Lernvorsprung von gut einem Schuljahr. Solche erheblichen Lernvorsprünge fänden sich „auffällig“ auch bei Kindern aus problematischen Elternhäusern oder aus Migranten-Familien.
Wesentliche Profiteure vom Kita-Besuch der Kleinen sind allerdings laut Bericht Familien mit hohem Bildungsniveau, die sich ohnehin intensiv um die Vorbildung ihrer Kinder kümmern - zum Beispiel durch Vorlesen, Wortspiele und Geschichten erzählen. Auch wenn beide Elternteile berufstätig seien und das Kleinkind tagsüber in einer Kita betreut werde, ließen diese zusätzlichen Aktivitäten der Eltern nicht nach. „Die Leseorientierung in der Familie wird durch den Bildungsstand der Eltern geprägt“, heißt es in der Analyse weiter. Kinder, die aber diese Unterstützung nicht erhielten und gleichzeitig auch keine Kita besuchten, seien bei der Bildung doppelt benachteiligt, folgern die Wissenschaftlern.
Laut Bericht werden in Deutschland etwa ein Viertel der 3- bis unter 7-Jährigen als „sprachförderbedürftig“ eingestuft. Dies gilt insbesondere für Kinder mit nicht-deutscher Familiensprache und Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern. Die Koalition will auf Betreiben der CSU den umstrittenen Gesetzentwurf zum Betreuungsgeld noch vor der Sommerpause in den Bundestag einbringen.
Mit Material von dpa