Bundeskanzlerin Angela Merkel äußert sich deutlich im Streit um das Betreuungsgeld: Familienleistung steht nicht zur Disposition.
Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Streit über das Betreuungsgeld ein Machtwort gesprochen und die geplante Familienleistung vehement gegen interne Kritik verteidigt. "Ich setze mich dafür ein, das Ziel ausreichender Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren bis Sommer 2013 zu erreichen und gleichzeitig das Betreuungsgeld für unter Dreijährige umzusetzen“, sagte Merkel in einem am Dienstag veröffentlichten Interview. Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder forderte ein schnelles Ende der Diskussion.
Das Betreuungsgeld soll laut Koalitionsbeschluss ab 2013 an Eltern gezahlt werden, die ihre kleinen Kinder privat betreuen. Geplant sind zunächst 100 und dann 150 Euro monatlich. Dagegen regt sich in CDU und FDP heftiger Widerstand, die Koalition streitet seit Wochen darüber.
Merkel verwies im "Westfalen-Blatt“ darauf, dass das Betreuungsgeld in der Koalition vereinbart sei. Auch hätten Fachleute ermittelt, dass Betreuungsplätze für etwa 40 Prozent der Kinder erforderlich seien. Das bedeute zugleich, dass die Eltern von 60 Prozent aller Kinder unter drei Jahren keine staatliche geförderte Betreuung in Anspruch nehmen wollten. "Ihre Entscheidung verdient genauso unseren Respekt und unsere Unterstützung, und deswegen soll es für sie das Betreuungsgeld geben“, betonte die CDU-Vorsitzende.
Bei einer Veranstaltung zum demografischen Wandel machte Merkel ebenfalls deutlich, dass die Leistung für sie nicht verhandelbar ist. "Neben dem Betreuungsgeld werden wir bis August 2013 den Anspruch nach Kitaplätzen bedarfsgerecht erfüllen“.
Kauder hatte in Aussicht gestellt, die Rentenleistungen für Eltern zu erhöhen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Besonders die Frauen in der Unionsfraktion fordern schon lange eine Gleichstellung. Sie gelten als interne Kritiker des Betreuungsgeldes.
Der Fraktionschef verlangte nun in der Fraktionssitzung am Dienstag nach Angaben von Teilnehmern ein Ende der Diskussion. Man solle es vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen dabei bewenden lassen. Vielmehr möge man sich in der Union wieder der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner widmen, betonte der CDU-Politiker. Merkel äußerte sich dem Vernehmen nach in der Sitzung nicht zu dem Thema.
Die CSU wehrt sich ohnehin gegen eine Koppelung des Betreuungsgeldes an verlängerte Erziehungszeiten in der Rente oder - wie von Familienministerin Kristina Schröder vorgeschlagen – an Vorsorgeuntersuchungen. Beides können nicht Bedingung für ein Betreuungsgeld sein, erklärte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle lehnte den Vorstoß zur Erhöhung der Rentenleistungen ganz ab. "Für uns ist klar: wir sind vertragstreu“, sagte er. Dies gelte jedoch nur für das Betreuungsgeld, welches im Koalitionsvertrag vereinbart sei, und nicht für weitere Maßnahmen in der Rentenversicherung.
Die SPD spricht derweil von einem Debakel für die Koalition. "Die Kompromiss-Vorschläge von Herrn Kauder und die Wir-stehen-zum-Betreuungsgeld-Parolen von Frau Merkel sind reine Ablenkungsmanöver“, höhnte SPD-Vize Manuela Schwesig, die von einer "Fernhalteprämie“ sprach.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier nannte es "skandalös“, zusätzlich zu den zwei Milliarden Euro für das "bildungspolitisch katastrophale“ Betreuungsgeld "sieben bis acht Milliarden Euro aus der Rentenkasse“ zu nehmen. Die Pläne bewiesen, dass das Betreuungsgeld das „falsche Instrument zur falschen Zeit“ sei.
Kritik kam erneut auch aus der Wirtschaft. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt befand: „Es ist absurd, die Zustimmung zu einer Sozialleistung mit der Erhöhung einer anderen Sozialleistung erreichen zu wollen.“ Die Union habe sich zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte verpflichtet. „Das kann aber nicht gelingen, wenn die Politik ständig neue Schecks auf die Zukunft ausstellt“, sagte er der „Frankfurter Rundschau“.