Hamburgs CDU-Landeschef Weinberg will die Zahlung des geplanten Betreuungsgeldes an Bedingungen wie ärztliche Untersuchungen knüpfen.
Berlin. Eigentlich ist die Sache beschlossen. Eltern, die für ihre Kinder keinen Betreuungsplatz in Anspruch nehmen wollen, sollen von 2013 an 100 Euro monatlich erhalten. Von 2014 an sollen 150 Euro für ein Kind im Krippenalter fließen. Kosten: rund 1,5 Milliarden Euro. Während die Opposition den schwarz-gelben Beschluss des vergangenen Novembers hämisch als "Herdprämie" bezeichnet, bleibt auch koalitionsintern die Maßnahme hoch umstritten. Die CSU pocht auf die Einführung, in der CDU ist die Skepsis - insbesondere bei prominenten Politikerinnen wie der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer - deutlich größer. Die FDP gehört zu den Gegnern des Betreuungsgeldes, muss aber aus Koalitionsräson an der Ausgestaltung mitarbeiten.
Der Streit dreht sich um mehrere Fragen: ob bei Nichtinanspruchnahme eines Krippenplatzes die frühkindliche Bildung auf der Strecke bleibt oder ob Familien mit Migrationshintergrund bei der Erziehung zu Hause ihren Kindern erschweren, Deutsch zu lernen. Gestritten wird auch darüber, wer in den Genuss der staatlichen Leistung kommen soll - ob beispielsweise Hartz-IV-Empfänger ausgeklammert werden.
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Nun könnte ein Kompromissvorschlag des Hamburger CDU-Landeschefs und Bundestagsabgeordneten Marcus Weinberg neuen Schwung in die Debatte bringen. Weinberg will die Auszahlung des Betreuungsgeldes an Bedingungen knüpfen: So sollen Eltern ihre Kinder zu festgelegten Frühuntersuchungen bringen, wenn sie die staatliche Leitung erhalten wollen. "Die Auszahlung des Betreuungsgeldes und die Frage nach zusätzlicher Unterstützung der Familien und der Kinder könnte an die Teilnahme an den Frühuntersuchungen U6 und U7 gekoppelt werden", sagte Weinberg dem Abendblatt. Die Untersuchung U6 ist zwischen dem zehnten und zwölften Lebensmonat, die U7 zwischen dem 21. und 24. Lebensmonat fällig. Bislang sind diese ärztlichen Untersuchungen nicht verpflichtend. Nur einige Bundesländer, darunter Hamburg, fordern und kontrollieren die Untersuchungen mit Nachdruck. "Die U6- und U7-Untersuchungen können allerdings nur Hinweise und Empfehlungen geben", machte Weinberg zugleich deutlich.
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Bei Auffälligkeiten eines Kindes könnte nach dem Vorschlag Weinbergs das Jugendamt eingeschaltet werden. "Werden bei einem Kind Entwicklungsdefizite festgestellt, könnte es nach vertieften Bewertungen des Entwicklungsstandes der Kinder zum Beispiel durch das Jugendamt den Eltern ermöglicht werden, von den Krippengebühren freigestellt zu werden", so der CDU-Politiker. Auch könnten dem Vorschlag zufolge die Eltern das Betreuungsgeld als Unterstützung erhalten, wenn ihr Kind eine Einrichtung zumindest halbtags besucht. Er betonte: "Wenn es dafür pädagogische Gründe gibt, sollte der Krippenbesuch zusätzlich zum Betreuungsgeld ermöglicht werden. Das Jugendamt könnte nach einem ärztlichen Hinweis und einem Gespräch mit den Eltern diese Maßnahme als pädagogischen Bedarf definieren."
Eine weitere Kompromissidee des Abgeordneten, der im Bundestags-Familienausschuss sitzt, sieht vor, dass auch Erwerbstätige vom Betreuungsgeld profitieren. "In Anlehnung an das vorher existierende Erziehungsgeld könnte das Betreuungsgeld auch für diejenigen Eltern gezahlt werden, die einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen." Weinberg machte deutlich, dass die Koalition Familien stärken wolle und keine "Nicht-Infrastruktur-Inanspruchnahme-Prämie" ausschreiben solle. Grundsätzlich müsse gelten: Die Betreuung und Erziehung sollte nach pädagogischen Gesichtspunkten erfolgen und sich nicht ausschließlich nach finanziellen Anreizen richten.
Seine Warnung an die Bundesregierung: "Fehlanreize müssen vermieden werden. Gerade für Kinder bildungsferner Familien könnte eine Wahl 'Geld oder Krippe' tragische Folgen haben." Das Betreuungsgeld dürfe nicht dazu führen, dass Eltern ihre Kinder aus der Kita abmelden oder erst gar nicht anmelden, obwohl ein besonderer frühpädagogischer Förderbedarf bestehe. "Wir können den Krippenbesuch hierbei nicht rechtlich einfordern. Wir müssen auf Anreize bei den Familien setzen", begründete er seinen Kompromissvorschlag. Die Grundidee des Betreuungsgeldes bleibe aber gut: "Wir wollen die Wahlfreiheit der Eltern stärken."
Erst vor wenigen Tagen war eine Diskussion darüber entbrannt, ob das Elterngeld womöglich auf Kosten des Betreuungsgeldes gekürzt werden müsse. Das Elterngeld - 65 Prozent des Nettogehalts und maximal 1800 Euro - wird in den ersten zwölf Monaten nach der Geburt eines Kindes an den Elternteil gezahlt, der eine Erziehungspause einlegt. Wenn Väter mindestens zwei Monate davon wahrnehmen, wird die Förderung auf 14 Monate verlängert.
Das wird von Jahr zu Jahr erfolgreicher und damit teurer für den Staat. Dass das Elterngeld wegen des Betreuungsgeldes gekürzt werden müsse, wiesen Familien- und Finanzministerium entschieden zurück. Doch die Debatte hinterlässt Spuren. Die CSU sieht sich in der Defensive. Die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär sah sich gezwungen, noch einmal die Einführung des Betreuungsgeldes zu versprechen. "Wir werden nicht zulassen, dass eine mutwillig vom Zaun gebrochene Phantomdiskussion zu einer inakzeptablen Verunsicherung bei jungen Familien führt, die auf das Betreuungsgeld setzen", sagte Bär der dpa.