Die Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger über das neue FDP-Programm und über alte Debatten, unter anderem die zur Bildung.
Hamburg. Es ist der Dauerstreit der schwarz-gelben Koalition. Wie lange sollen Daten gespeichert werden? Und zu welchen Zwecken? Am Dienstag verteidigte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) in ihrem einstündigen Vortrag an der Bucerius Law School ihren Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung. Das Abendblatt traf die Ministerin vor der Veranstaltung.
Hamburger Abendblatt: Trotz der kritischen Studie durch das Max-Planck-Institut (MPI) beharrt die Union auf der Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Wie lange halten Sie Ihren Widerstand durch?
Leutheusser-Schnarrenberger: Die EU überarbeitet gerade ihre eigene Richtlinie. Denn nicht nur Deutschland, sondern auch andere europäische Staaten haben die Forderungen der EU bisher nicht umgesetzt. Wir haben der EU unsere Vorschläge gegen eine dauerhafte Speicherung der Daten vorgestellt. Nun muss schnell Klarheit auf EU-Ebene geschaffen werden.
Glauben Sie, dass Sie sich mit Ihrem Konzept der anlassbezogenen Datenspeicherung durchsetzen können?
Leutheusser-Schnarrenberger: Es ist das bessere Konzept. Das MPI-Gutachten hat doch aufgezeigt, dass eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung keinen wissenschaftlich nachweisbaren Nutzen bringt. Es macht übrigens keinen Sinn, jetzt schnell neue Gesetze zur monatelangen Speicherung von Daten in Deutschland zu beschließen, wenn wir auf EU-Ebene noch keine Klarheit haben, ob dies überhaupt vereinbar ist mit den Grundrechten Europas.
Im April will Ihre Partei das neue Grundsatzprogramm verabschieden. Welches Gesicht hat die neue FDP?
Leutheusser-Schnarrenberger: Mit dem neuen Programm werden die Koordinaten der FDP nicht verändert werden: Freiheit, Verantwortung, Entfaltung des Einzelnen. Wirtschaft, Bürgerrechte und Bildung bleiben die zentralen Themen der Liberalen. Das neue Grundsatzprogramm wird die Vielfalt des Liberalismus auf der Höhe der Zeit abbilden.
Dem Begriff "Wachstum" kommt im neuen Programm große Aufmerksamkeit zu. Ist "Wachstum" das richtige Leitmotiv in Zeiten der Finanzkrise?
Leutheusser-Schnarrenberger: Wachstum bedeutet für uns ja nicht nur eine höhere Kommastelle bei Wirtschaftsraten. Es geht der FDP um qualitatives Wachstum, also Zugewandtheit und Offenheit für Fortschritt, Innovation und Investitionen. Ein gutes Bildungssystem ist genauso wichtig wie eine starke Wirtschaft. Denn ohne die Teilhabe aller Bürger, gerade auch der ärmeren Menschen, an qualitativer Bildung ist auch kein Wirtschaftswachstum möglich. Bei der Bildungsgerechtigkeit hat Deutschland noch Nachholbedarf.
Wird die FDP auch 2013 mit dem Versprechen der Steuersenkung in den Wahlkampf ziehen?
Leutheusser-Schnarrenberger: Nur von Steuersenkungen zu sprechen greift zu kurz. Außerdem ist die FDP auch keine Steuersenkungs-, sondern eine Freiheitspartei.
Bei der Bundestagswahl 2009 griff das Mantra von niedrigeren Steuern nicht zu kurz, sondern brachte den Liberalen knapp 14 Prozent der Stimmen ein.
Leutheusser-Schnarrenberger: Auch damals war unser Programm kein einseitiges Steuersenkungsprogramm. Die Forderung nach gerechterer Steuerpolitik wird wie das Thema Haushaltskonsolidierung auch im Wahlkampf 2013 eine wichtige Rolle spielen. Aber wir sollten uns weder von außen auf das Thema Steuern fixieren lassen, noch sollten wir uns selbst zu sehr auf Steuersenkungen fokussieren.