SPD und Grüne unterstützen Linken-Kritik am Verfassungsschutz. Dieser observiert auch im Norden Teile des SED-Nachfolgers.
Berlin. Üblicherweise lässt Thomas Oppermann keinen Angriff auf die Linkspartei aus, wenn sich ihm die Gelegenheit dazu bietet. Vom parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion weiß man, dass er die Linke für "überflüssig" hält und ihr "ganz überwiegend" abspricht, in dieser Republik angekommen zu sein.
Doch mitten in der immer rauer geführten Debatte um die Beobachtung von Linkspartei-Abgeordneten durch den Verfassungsschutz setzte Oppermann am Mittwoch zur Verteidigung der SED-Nachfolger an. Er nannte es "nicht klug", dass diejenigen Mitglieder des Bundestages unter Beobachtung stünden, die als Realpolitiker gegen die sektiererischen, linksextremistischen Bestrebungen in der eigenen Partei stünden. Dann zählte er die Namen von Politikern der Linken auf, die er ausdrücklich in Schutz nehmen wollte: Fraktionsvize Dietmar Bartsch, Mecklenburg-Vorpommerns Landesvorsitzenden Steffen Bockhahn und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau. Auch die staatlich abgesegnete Beobachtung von Fraktionschef Gregor Gysi befremdete Oppermann: "Gregor Gysi ist doch kein Staatsfeind, das ist allenfalls ein Salon-Bolschewist." Dass der Verfassungsschutz bei seiner Beobachtung der Linkspartei ausgerechnet Vertreter des gemäßigten, realpolitischen Flügels im Visier hat, verwunderte auch die Grünen. Parteichefin Claudia Roth forderte, die Strukturen des Verfassungsschutzes gehörten auf den Prüfstand.
+++ Gröhe führt Debatte: Warum die Linke beobachtet werden muss +++
Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte sich am Morgen unbeeindruckt von der Kritik der Opposition gezeigt und im Deutschlandfunk von "künstlich erzeugter Aufregung" gesprochen. Er verwies darauf, dass die Linke schon seit 1995 beobachtet werde, weil es bei Teilen Bestrebungen gebe, die der freiheitlichen Grundordnung gefährlich werden könnten. Für seine Haltung erhielt er breite Unterstützung aus der Union.
Am Mittag allerdings zeigte sich der Minister gesprächsbereiter und kündigte an, die Liste der 27 vom Verfassungsschutz beobachteten Abgeordneten der Linksfraktion überprüfen zu lassen. Zu den Kriterien für eine Beobachtung von Parlamentariern der Linken gehörten, dass sie entweder eine herausgehobene Funktion hätten oder Mitglied einer offen extremistischen Teilvereinigung seien, fügte Friedrich hinzu. Anhand dieser Kriterien werde die Liste des Verfassungsschutzes nun überprüft. Friedrich sagte, bereits einer seiner Vorgänger habe angeordnet, dass die Linken nur aus offenen Quellen beobachtet werden sollen. Er habe diese Anweisung noch einmal bekräftigt. Nach Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums hieß es in Sicherheitskreisen, dass Abgeordnete der Linkspartei weit intensiver von den Verfassungsschutzämtern ausspioniert worden seien als bislang bekannt. In den zur Einsicht freigegebenen Akten des Verfassungsschutzes seien ganze Seiten unter anderem deswegen geschwärzt worden, um Informanten der Landesverfassungsschutzämter vor der Enttarnung zu schützen.
+++Krings: Kritik der Justizministerin "schwer erträglich"+++
Bei Beobachtungen, also Auswertungen von Reden und Zeitungsartikeln, allein blieb es nicht. Auf Länderebene wird die Linke durchaus mit geheimdienstlichen Mitteln überwacht. Der niedersächsische Verfassungsschutzpräsident Hans-Werner Wargel sprach von sieben Bundesländern, in denen das der Fall sei. Diese Länder würden mit nachrichtendienstlichen Mitteln - den ganzen Landesverband oder nur Splittergruppen wie die Kommunistische Plattform - die Partei observieren. Das Abhören von Telefonaten, das Öffnen von Briefen oder auch der Einsatz von V-Leuten gehört zu solchen geheimdienstlichen Mitteln. Auch in Niedersachsen setzt der Verfassungsschutz nachrichtendienstliche Methoden und möglicherweise auch V-Leute ein. Wargel betonte allerdings, dass es keine gezielte Observation einzelner Abgeordneter gebe. In Niedersachsen speichere der Verfassungsschutz derzeit Informationen über acht Landtags- und sechs Bundestagsabgeordnete der Partei. Innenminister Uwe Schünemann betonte im Abendblatt: "Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel hängt von der verfassungsfeindlichen Intensität der Gruppierung und der für sie handelnden Personen ab. Deswegen ist in der Form die Beobachtung der Linkspartei in Niedersachsen geboten."
Auch in Hamburg observiert der Verfassungsschutz Gruppen der Linkspartei. "Wir beobachten seit 2008 noch die Kommunistische Plattform und den Jugendverband solid", sagte der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, Manfred Murck. "Wir behalten uns immer vor, diese Teilstrukturen auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten. Das gehört zu unserem Selbstverständnis." Eine gezielte Observation einzelner Abgeordneter gebe es aber auch hier nicht.