Vor allem Menschen aus muslimischen Ländern wie Afghanistan, Syrien, Irak und Pakistan beantragen vermehrt Asyl in der Bundesrepublik.
Berlin/Hannover. Immer mehr Flüchtlinge beantragen Asyl in Deutschland. Die absolute Zahl der Asylbewerber in der Bundesrepublik ist 2011 auf den höchsten Stand seit acht Jahren gestiegen. Immer mehr Flüchtinge kommen aus muslimischen Ländern, wie das Bundesinnenministerium am Dienstag in Berlin mitteilte. Vor allem Afghanen, Iraker, Syrer und Pakistaner kommen vermehrt nach Deutschland. Zudem versuchten erneut rund 4.600 Serben, in Deutschland Fuß zu fassen. 90 Prozent von ihnen seien Angehörige der Roma.
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Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge haben im vergangenen Jahr 45.741 Menschen Asyl in der Bundesrepublik beantragt. Das waren elf Prozent oder 4.404 mehr als 2010. Allerdings liegen die Zahlen deutlich unter den Werten zu Beginn der 90er Jahre, als jedes Jahr hunderttausende Menschen in Deutschland Asyl beantragten. An der Spitze stand im Jahr 2011 das Herkunftsland Afghanistan mit 7.767 Flüchtlingen, gefolgt vom Irak mit 5.831. Besonders drastisch ist der Anstieg bei den Pakistanern. Ihre Zahl habe sich im Vergleich zu 2010 auf gut 2.500 verdreifacht. Insgesamt 7.098 Personen erhielten laut Ministerium im Jahr 2011 die Rechtsstellung eines Flüchtlings; das waren 16,4 Prozent aller Asylbewerber. Zudem erhielten 2.577 Personen (5,9 Prozent) sogenannten „subsidiären Schutz“ durch Abschiebungsverbote.
Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ gelangen viele Flüchtlinge über die schlecht gesicherte Grenze zwischen der Türkei und Griechenland in die Europäische Union und reisen dann weiter nach Deutschland. Ein weiterer Grund für den Anstieg der Zahlen ist ein Beschluss von 2009, nach dem die Visapflicht für Serbien und Mazedonien entfällt. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte, Deutschland bleibe damit neben Frankreich das Hauptaufnahmeland für Asylbewerber in der EU. Der „Süddeutschen Zeitung“ sagte er, viele Asylsuchende aus Serbien seien offensichtlich nicht als verfolgte Flüchtlinge einzustufen und ihre Anträge sollten zügig abgelehnt werden, „um die Dauer des unrechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland und die mit diesem verbundene Belastung der öffentlichen Haushalte möglichst zu minimieren“. Im neuen Bericht über die Asylbewerberzahlen für 2011 liegt Serbien mit 4.579 Anträgen erneut auf Platz drei der Hauptherkunftsländer. Mehr als 90 Prozent der serbischen Antragsteller sind demnach Roma.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kritisierte die Aussagen Friedrichs. Er übergehe dabei, dass „Roma in vielen osteuropäischen Staaten rechtsextreme Angriffe fürchten müssen und durch extreme Ausgrenzung am Rande der Müllhalden zu leben gezwungen sind“. Der Minister stütze damit indirekt die „rassistische Stimmungsmache gegen die am stärksten diskriminierte Minderheit Europas“. Auch der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma hat den hohen Anteil an Roma unter den vielen serbischen Asylsuchenden mit der „desolaten Lebenssituation“ in dem Land begründet. „Viele Roma in Serbien sind Kriegsflüchtlinge aus dem Kosovo, die weder einen festen Wohnsitz noch Zugang zum Gesundheitssystem haben“, sagte der leitende wissenschaftliche Mitarbeiter beim Zentralrat in Heidelberg, Herbert Heuß, am Dienstag. Hinzu kämen Berichte über alltägliche Diskriminierung und polizeiliche Gewalt. Anzeichen für gezielte politische Verfolgung von Roma in Serbien – die Voraussetzung für einen erfolgreichen Asylantrag – fänden sich nach Erkenntnis des Zentralrats allerdings nicht.
Pro Asyl kritisierte zudem, es gebe offenbar einen Zusammenhang zwischen Zugangszahlen und Anerkennungsquoten. Liege die Schutzquote, also die Summe aller positiven Entscheidungen, im Jahr 2011 bei 22,3 Prozent, so habe sie 2009 – bei deutlich geringeren Asylbewerberzahlen – bei 33 Prozent gelegen. Positiv wertete die Flüchtlingsorganisation, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Zahl der Asylentscheider um 35 aufstocken wolle.
Gute Aussichten gibt es für die Asylsuchenden in Niedersachsen. Diese können sich ab dem 1. März im ganzen Bundesland frei bewegen. Das schwarz-gelbe Kabinett stimmte am Dienstag nach Angaben der Staatskanzlei einer entsprechenden Verordnung zu. Die Landesregierung hatte bereits im vergangenen September grünes Licht signalisiert. „Die Verordnung tritt in Kraft, sobald sie im Amtsblatt veröffentlicht wird. Dies wird in den nächsten Wochen geschehen“, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums am Dienstag. Auch die kommunalen Spitzenverbände hätten ihre Zustimmung erteilt. Bislang durften Asylsuchende, deren Anerkennungsverfahren noch nicht abgeschlossen sind, den Bezirk ihrer Ausländerbehörde nicht oder nur mit Erlaubnis verlassen.
Mit Material von kna/dapd/dpa