Als Bundesratspräsident übernimmt Jens Böhrnsen das Amt von Horst Köhler.
Hamburg. Er regiert das kleinste Bundesland und übernimmt nun das wichtigste Amt im Staat. Seit gestern ist der Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen auch amtierender Bundespräsident. Der bundesweit bisher wenig bekannte SPD-Politiker reagierte darauf gestern so, wie ihn seine Bremer kennen und schätzen: ruhig und gelassen. "Ein solches Ereignis hätte ich nicht für möglich gehalten", sagte er in einer kurzen Stellungnahme. Als aktueller Bundesratsvorsitzender musste er seit Oktober 2009, wie es das Grundgesetz vorsieht, bereits mehrmals Köhler vertreten, wenn dieser auf Staatsbesuchen oder im Urlaub war. Dass Böhrnsen aber das Amt nach einem Rücktritt übernimmt, hatte niemand ahnen können.
Köhler hatte ihn gestern selbst angerufen, bevor er seinen Schritt öffentlich machte. "Ich habe ihm meinen Respekt für seine Entscheidung ausgedrückt", sagte Böhrnsen später. Als Bürger sei er jedoch betroffen und traurig. Danach sprach Böhrnsen auch lange mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel. Darüber, wie es nun weitergeht, was zu tun ist und was passiert.
"Wir werden im Gespräch bleiben", sagte Böhrnsen. Schließlich stehen alle vor einer neuen staatspolitischen Situation. Doch es gibt keinen Zweifel, dass der Bremer Bürgermeister sich nicht auch mit dieser Aufgabe schnell vertraut macht. Der studierte Jurist und ehemalige Richter gilt seit Langem als fleißiger parlamentarischer Arbeiter.
1995 wurde der heute 60-Jährige in die bremische Bürgerschaft gewählt und übernahm vier Jahre später den Fraktionsvorsitz der SPD. Als sich der äußerst populäre und beliebte Bürgermeister Henning Scherf 2005 mitten in der Wahlperiode aus der Politik zurückzog, setzte sich der zurückhaltende Böhrnsen parteiintern gegen den quirligen damaligen Bildungssenator und ehemaligen Manager von Werder Bremen, Willi Lemke, durch.
Doch der Schatten des Henning Scherf stellte sich für den in Bremen immer fest verwurzelten Böhrnsen als sehr groß heraus. Zudem ereilte Böhrnsen zwei Monate vor den Wahlen ein schwerer Schicksalsschlag. Seine Frau Luise starb an einer Hirnblutung. Er zog den Wahlkampf dennoch durch und erhielt bei der Wahl 2007 mit 36,8 Prozent der Stimmen das zweitschlechteste Ergebnis der SPD in Bremen. Doch er konnte den Koalitionspartner wechseln, und statt mit der CDU regiert er seitdem im Bündnis mit den Grünen.
Die Regierungszeit ist geprägt von den großen wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten der Hansestadt Bremen. Doch Böhrnsen gilt auch als Finanzexperte in den föderalen Beziehungen zwischen Bund und Ländern. Im Bundesrat setzt er sich für eine andere Finanzverteilung ein.