Arbeitsgruppen treffen sich im Mai. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: “Wir fangen nicht bei null an.“
Berlin. Stephan Ackermann hat seit ein paar Wochen einen Nebenjob, um den ihn niemand beneidet. Der Bischof von Trier ist seit dem 25. Februar "Missbrauchsbeauftragter" der Deutschen Bischofskonferenz und als solcher an vorderster Front für das große Saubermachen zuständig, das Deutschlands Katholiken angesichts der nicht abreißenden Schreckensmeldungen von ihrer Kirche erwarten. Und selbstverständlich ist Ackermann auch aufgefordert worden, an dem runden Tisch teilzunehmen, den die Bundesregierung deshalb eingerichtet hat. Nach der dreistündigen Auftaktsitzung, die am Freitag in Berlin stattfand, wirkte Ackermann sichtlich erleichtert. "Es gab überhaupt keinen anklagenden Ton gegenüber der katholischen Kirche", berichtete der 47-Jährige anschließend. Im Gegenteil. Die Atmosphäre sei "sehr respektvoll" und konstruktiv gewesen. Die Teilnehmer repräsentierten viel Sachverstand und Erfahrung und hätten allesamt ihren guten Willen zur Zusammenarbeit bekundet.
Tatsächlich setzt sich das insgesamt 60-köpfige Gremium aus Bundes- und Landespolitikern, Vertretern der Kirchen, der Schulen, der Ärzteschaft und zahlreichen Verbänden zusammen. Sogar die Bundesschülerkonferenz und der Deutsche Olympische Sportbund wurden dazu gebeten.
Unmittelbar vor Beginn der Sitzung hatte die Beauftragte der Bundesregierung, die frühere Bundesfamilienministerin Christine Bergmann, den Druck auf die Teilnehmer erhöht. Es dürfe nicht nur um Vergangenheitsbewältigung gehen, hatte die SPD-Politikerin der "Berliner Zeitung" gesagt. "Es geht auch darum, zu sagen, was passiert eigentlich heute? Wo braucht es mehr Fortbildung, mehr Beratung, mehr Angebote?" Zum Nulltarif gebe es das gewiss nicht. Bergmann fügte hinzu, dass sie von der Runde finanzielle Zusagen erwarte. "Und zwar verbindlich und nicht nur für das nächste Haushaltsjahr." Auch mit materiellen Entschädigungen für die Betroffenen müsse man sich befassen. Dabei gehe es nicht nur um Geldzahlungen, sondern auch um konkrete Hilfen wie Psychotherapien.
Die drei Bundesministerinnen, die den runden Tisch leiten, sahen das gestern etwas anders. Sie erklärten, das Thema Entschädigung stehe nicht im Vordergrund, "sei aber auf dem Tisch". Bei diesem ersten Treffen sei den Experten vor allem klar geworden, dass es den Opfern zunächst darauf ankomme, dass das ihnen widerfahrene Unrecht gesellschaftlich anerkannt werde.
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) regte deshalb als erste Maßnahme eine verbindliche Selbstverpflichtung für kirchliche und staatliche pädagogische Einrichtungen an. Zudem soll es außer den Arbeitsgruppen zu Aufarbeitung und Rechtsfragen sowie zur Prävention eine dritte Arbeitsgruppe geben. Diese soll sich vor allem damit befassen, wie Mediziner und Pädagogen besser ausgebildet werden können, um sexuellen Missbrauch zu erkennen und zu verhindern. Dabei könne man auf die bereits geleistete Arbeit etwa der Opferverbände zurückgreifen. "Wir fangen nicht bei null an", so die Ministerin.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) warnte davor, in der Missbrauchsdebatte das Strafrecht überzubewerten. Es könne in der Regel nicht das erfüllen, was sich Opfer davon oft versprächen. Auch gegenüber einer automatischen Anzeigepflicht bei Missbrauchsverdacht äußerte Leutheusser-Schnarrenberger sich skeptisch. Sie sei dann ein Problem, wenn die Opfer keine polizeilichen Ermittlungen wollten. Die von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) geleitete Arbeitsgruppe soll sich mit der Erforschung von pädosexuellem Verhalten und möglichen Therapien befassen.
Alle Arbeitsgruppen werden nach Angaben der Ministerinnen im Mai zum ersten Mal zusammenkommen. Das nächste Treffen für den runden Tisch wurde für September anberaumt. Ende des Jahres soll ein erster Zwischenbericht vorliegen.