Sommer vergleicht die FDP mit Haiders FPÖ. Hier die entsprechende Interviewpassage.
Hamburg. Hamburger Abendblatt: Herr Sommer, wie würden Sie Ihre Beziehung zur Bundeskanzlerin beschreiben?
Michael Sommer: Ich schätze Angela Merkel. Im Verlauf der Zusammenarbeit in der Wirtschaftskrise ist ein richtig gutes Arbeitsverhältnis entstanden.
Wenn das sogar der Gewerkschaftsführer sagt... Hat sich die Zusammenarbeit verändert, seit Frau Merkel mit Westerwelle und nicht mehr mit Steinmeier regiert?
Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Und das ist nicht viel, aber auch nicht gleich Null, wenn ich an die Umsetzung der branchenspezifischen Mindestlöhne denke. Wir sind in produktiven Gesprächen, was wir bei der Leiharbeit machen können. In der Krise ist ein neues gesellschaftliches Klima entstanden, das unsere Zusammenarbeit mit den Regierungsparteien und auch mit den Arbeitgebern erleichtert. Die Aufgeregtheiten sind zurzeit weg.
Guido Westerwelle eingeschlossen?
Wir hatten den Vizekanzler bei der Klausurtagung des DGB zu Gast. Ich will die Vertraulichkeit dieser Gespräche nicht brechen, aber es gab kein einziges Feld, auf dem wir uns inhaltlich angenähert hätten. Herr Westerwelle ruft eine geistig-politische Wende aus und entscheidet sich dann, marodierend über den Sozialstaat herzuziehen...
... marodierend?
Ich kann nur warnen. Denken Sie beispielsweise an Österreich. Da hatten wir die Situation, dass sich eine liberale Partei in eine ganz andere Richtung entwickelt hat, nämlich die FPÖ. Ich sehe mit großer Sorge, dass sich in der FDP von Guido Westerwelle sozialspalterische und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährliche Tendenzen herausbilden.
Westerwelle betreibt die Haiderisierung der FDP?
Das ist Ihre Formulierung. Aber wenn Herr Westerwelle anfängt, den sozialen Ausgleich in Frage zu stellen, dann ist für mich das Alarmsignal da. Die Gefahr, dass die FDP in eine populistische Richtung abdriftet, halte ich für sehr groß. Unter dem Einfluss eines anderen Vizekanzlers, von Jürgen Möllemann, hat die FDP schon einmal rechtspopulistische Töne angeschlagen.
Ist es rechtspopulistisch, vor einem Ausufern des Sozialstaats zu warnen?
Herr Westerwelle hat eine Minderheit gegen die andere ausgespielt: Langzeitarbeitslose gegen Geringverdiener, Ärmste gegen Arme. Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte ist das brandgefährlich. Der Vizekanzler hat mit der Art und Weise, wie er die Sozialstaatsdebatte geführt hat, ein politisches Tabu gebrochen. Das macht mich sehr besorgt.
Sie dämonisieren den FDP-Vorsitzenden.
Nein. Wenn es eine historische Erkenntnis für das deutsche Volk gibt, dann ist es diese: Menschenrechte achten, Minderheiten achten, Sozialstaat achten – unter allen Umständen. So gesehen wird die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zu einer Richtungswahl: Wenn die FDP bestätigt wird für diese Art der Politik, dann wird es zu einer gesellschaftlichen Zuspitzung kommen. Dann wird es immer schwieriger, die soziale Balance zu halten.
Wie würden Sie die Hartz-Reformen korrigieren?
Wir müssen alles tun, um Menschen aus der Langzeitarbeitslosigkeit zu holen. Bisher werden nur drei Prozent aller Hartz-IV-Empfänger in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt. Prinzipiell sind mir bei einer Reform vier Punkte wichtig.
Die wären?
Erstens müssen die Regelsätze auf ein menschenwürdiges Niveau steigen, die Gewerkschaften fordern 420 Euro. Zweitens: Um das Lohnabstandsgebot zu wahren, brauchen wir einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn. Der DGB hat vorgeschlagen, dass der Mindestlohn bei 8,50 Euro liegen soll. Drittens müssen wir die Vermittlungstätigkeit für alle, die arbeiten können, deutlich verstärken. Und viertens darf es nicht sein, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter zum Jobcenter schicken und sagen, was ich Dir nicht zahle, das holst du dir vom Staat. Das ist der wirkliche Missbrauch staatlicher Leistungen.