Berlin. Die schwarz-gelbe Koalition ist im Ansehen der Wähler weiter abgestürzt. Bei der gestern veröffentlichten neuen Forsa-Umfrage für "Stern" und RTL erreichte die CDU/CSU nur noch 32 Prozent, während die FDP weiter bei acht Prozent stagniert. Mit zusammen 40 Prozent ist das die niedrigste Zustimmung für Schwarz-Gelb seit zehn Jahren. Die Oppositionsparteien im Bundestag halten dagegen mit zusammen 52 Prozent einen Vorsprung von zwölf Prozentpunkten. Wie die Umfrage weiter ergab, wünschen sich 56 Prozent der Deutschen die Große Koalition aus Union und SPD zurück.
Vom Imageverlust der Regierungsparteien profitiert - allerdings auf weiter überschaubarem Niveau - vor allem die SPD, die mit jetzt 25 Prozent ihren besten Wert seit der Bundestagswahl erreichte. Sie verbesserte sich im Vergleich zur Vorwoche um zwei Prozentpunkte, während die Unionsparteien im selben Zeitraum zwei Punkte verloren. Die FDP blieb unverändert mehr als sechs Prozentpunkte unter ihrem Bundestagswahlergebnis von 14,6 Prozent. Die Linke verbesserte sich um einen Punkt auf zwölf Prozent. Die Grünen verloren einen Prozentpunkt, blieben aber mit nunmehr 15 Prozent klar drittstärkste Kraft.
Wie die Umfrage weiter ergab, wünscht sich eine Mehrheit der Deutschen inzwischen die Große Koalition zurück. 56 Prozent der insgesamt 2502 Befragten sagten, ihnen wäre ein derartiges Bündnis lieber als die jetzige Regierung. Diese Ansicht vertraten sogar 45 Prozent der Unionsanhänger.
Zum Stimmungstief der Koalition hat nach Ansicht von Forsa-Chef Manfred Güllner neben ihrem Dauerzank auch die Imagekrise des FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle beigetragen. Güllner sagte dem "Stern", der Außenminister polarisiere zu stark. Dadurch verschrecke Westerwelle viele, die vor einem halben Jahr noch FDP gewählt hätten, und mobilisiere das Oppositionslager.
Unzufrieden über die ersten Monate der schwarz-gelben Koalition zeigte sich auch der innerparteilich einflussreiche CDU-Wirtschaftsrat. Bei einer Umfrage unter 2500 von dessen rund 11 000 Mitgliedern zeigten sich fast 80 Prozent unzufrieden. Der Präsident des Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, sprach von einem "bemerkenswerten", ja "dramatischen" Ergebnis. Innenpolitisch sei die Koalition noch nicht in Tritt gekommen. "Wir wünschen uns, dass die außenpolitische Stärke der Kanzlerin sich auch auf die Innenpolitik überträgt", sagte Lauk. In diesem Jahr könne sich der Sozialstaat erstmalig nicht mehr selbst finanzieren, kritisierte er. "Die Steuereinnahmen des Bundes reichen nicht mehr aus, um die Transferleistungen zu finanzieren plus die Zinsen. In Zahlen ausgedrückt sind das 215 Milliarden, und die Steuereinnahmen sind 212."
Lauk fordert eine umgehende Steuerreform, stellte jedoch klar: "Eine Steuerreform ist keine Steuersenkung." Wichtig sei vielmehr, dass das Steuersystem vereinfacht und transparenter gemacht werde.
Die Staatsausgaben müssten massiv reduziert werden. Lauk schlug dazu unter anderem Abstriche beim ermäßigten Mehrwertsteuersatz, bei Ausgaben für Hartz IV sowie bei der Arbeitsmarktpolitik vor. Weitere 15 Milliarden Euro könnten durch die stärkere Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug erwirtschaftet werden, bis zu 26 Milliarden Euro zudem durch mehr Kostenbewusstsein im öffentlichen Beschaffungswesen.
Bei der Bundesagentur für Arbeit will der Wirtschaftsrat fünf Milliarden Euro durch "die Beseitigung immer noch unwirksamer Arbeitsmarktmaßnahmen" einsparen. Vier Milliarden Euro sollten durch das Vermeiden von Missbrauchsfällen bei Hartz IV zusammenkommen. Generell sollten bei Sozialleistungen Anreize so gesetzt werden, dass diese möglichst wenig in Anspruch genommen würden.
"In Deutschland erhält die Hälfte der Bürger Sozialleistungen, die die andere Hälfte bezahlen muss. So eine Gesellschaft kann niemand wollen", kritisierte Lauk. Die Mitglieder seiner Organisation wünschten sich ein stärkeres wirtschaftspolitisches Profil der Koalition.