Die nordrhein-westfälische SPD-Chefin wurde mit 99 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Sie will Ministerpräsidentin werden.
Dortmund. Fast 56 Minuten hatte Hannelore Kraft schon geredet, als der Funke übersprang. Unter lautem Jubel der 450 Delegierten schleuderte die nordrhein-westfälische SPD-Vorsitzende ein vielfaches Nein zur Politik von Schwarz-Gelb in Düsseldorf und Berlin in den Saal: Ein Nein zu einem „Schulsystem der Auslese“ und zu Studiengebühren, ein Nein zur Kopfpauschale und zur Atomkraft, ein Nein zu unsicheren Arbeitsverhältnissen und Dumpinglöhnen. Zehn Wochen vor der Landtagswahl hielt die 48-Jährige am Freitag auf dem Landesparteitag in Dortmund ihre Bewerbungsrede für das Amt der Ministerpräsidentin.
Kraft begann ihre knapp einstündige Rede nachdenklich, berichtete von Besuchen in Altenheimen und Förderschulen, bei Beschäftigungs- Projekten und bei Tafeln für Bedürftige. Kraft will die SPD wieder als „Kümmerer-Partei“ profilieren, damit Dortmund, wie Landes-Generalsekretär Michael Groschek forderte, „der letzte Parteitag für lange Zeit als Oppositionspartei“ ist.
Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), den Kraft am 9. Mai ablösen will, spielte in ihrer Rede nur eine Nebenrolle. Nur an ganz wenigen Stellen ging sie auf den Amtsinhaber ein. Nicht einmal nannte sie ihn beim Namen. Auch nicht, als sie auf die Sponsoren-Affäre der CDU einging. „Im Mittelpunkt dieser Affäre steht ein Mann, der sich gerne als Nachfolger von unserem Johannes (Rau) darstellt“, sagte Kraft. Die Affäre um Verkaufsangebote für Rüttgers-Gespräche zeige, „dass der Unterschied nicht größer sein kann“.
Mit wem Kraft nach der Wahl koalieren will, sagte sie nicht. Vor dem Parteitag hatte sie wiederholt betont, sie strebe eine rot-grüne Koalition an. In ihrer Parteitagsrede kein Wort dazu. Auch für die Grünen ist Rot-Grün die Lieblingskombination.Laut Umfragen reicht es derzeit aber nicht für eine Neuauflage des Bündnisses, das Nordrhein-Westfalen zehn Jahre lang bis 2005 regiert hatte.
Auch zum Reizthema Rot-Rot schwieg Kraft. „Wir suchen die Auseinandersetzung“, lautet ihre Standardantwort auf Fragen nach einer möglichen Zusammenarbeit mit der Linkspartei. In ihrer Rede gab es diese Auseinandersetzung nicht. Die CDU reagiert prompt. „Kraft verweigert jede Abgrenzung zur Linkspartei“, ließ der designierte CDU-Generalsekretär Andreas Krautscheid verlauten, kaum dass Kraft ihre Rede beendet hatte. Auch die Linke war unzufrieden. Kraft müsse „endlich auch die Option einer rot-rot-grünen Koalition offen ins Auge fassen“, forderte Linken-Vize Klaus Ernst.
Den Delegierten fehlte in der Rede Krafts offensichtlich nichts. Minutenlang feierten sie ihre Vorsitzende mit Applaus im Stehen. Auch Ex-Parteichef Franz Müntefering, dessen Frau Michelle in Dortmund wieder für einen Platz im SPD-Landesvorstand kandidiert, fiel in den Beifall ein. Auf die 71 Tage bis zur Landtagswahl schickte der Parteitag Kraft mit starkem Rückenwind. Bei ihrer Wiederwahl zur Landeschefin erhielt sie 99,0 Prozent der Stimmen – ein Ergebnis das selbst Johannes Rau nur einmal knapp überboten hat.