Kabul/Brüssel. In seinem makellos gebügelten blassblauen Polohemd mit dem schwarzen Logo "Gendarmerie" steht Christophe Doré im Hof seines Kabuler Hauptquartiers. "Wir arbeiten jetzt erstmals direkt mit der afghanischen Bevölkerung zusammen, das wird eine spannende Aufgabe", sagt der 37-jährige Ausbilder. Ob die neue Strategie, kasernierte Polizisten mit afghanischen Rekruten ins Feld zu schicken, funktionieren kann? "Man wird sehen", meint Doré zögernd. In den nächsten Tagen geht es in den Einsatz, nach Surobi und Kapisa im Norden Kabuls. 150 Mann Gendarmerie sind seit November am Hindukusch, um eine afghanische Bereitschaftspolizei auszubilden, deren Aufgaben weit über die normalen hinausgehen: Sie sollen Gebiete sichern, aus denen das Militär die aufständischen Taliban vertrieben hat. Ein lebensgefährlicher Alltag, den bis zu acht afghanische Polizisten jeden Tag mit dem Leben bezahlen.
Und ein Ausbildungsprogramm, bei dem man zwar auch kasernierte Polizisten aus Spanien, Italien oder den Niederlanden finden wird - aber keine aus Deutschland. Laut Bundespolizeigesetz darf "die Verwendung im Ausland nur zu humanitären Zwecken" stattfinden. Doch die Realität in Afghanistan heißt Krieg, und daran kommt auch die Polizei nicht vorbei. Die französischen Gendarmen wissen das, sie waren schon in den blutigsten Konfliktzonen der Welt im Einsatz. Ihr Konzept hier heißt "clear, hold, build" - erobern, stabilisieren, aufbauen. Isaf-Truppen und afghanische Armee gehen rein, am Ende sorgen Hilfsorganisationen für den zivilen Aufbau. Doch die zweite Aufgabe, die Sicherung Taliban-freier Zonen, ist seit Beginn der Operation Enduring Freedom 2001 für die internationale Gemeinschaft zur Existenzfrage geworden.
Eigentlich war das schon 2002 nach dem Sturz der Taliban klar. Deutschland übernahm als eine Führungsnation am Hindukusch die Aufgabe, die afghanische Nationalpolizei (ANA) aufzubauen. Doch immer wieder kam das Projekt ins Stocken, 2007 schließlich sollte die EU die Aufgabe vorantreiben. "Mit EuPol haben wir nichts zu schaffen", antwortet ein Franzose auf die Frage, wie die Zusammenarbeit mit der EU-Polizeimission funktioniere, für die Angela Merkel gestern 60 Ausbilder zusagte.
Die Antwort spricht Bände. Jeder Truppensteller werkelt am liebsten allein vor sich hin, hält seinen Ansatz für den richtigen - und stößt ohnehin wie im deutschen Fall schnell an seine Grenzen. Auch die Uno-Mission Unama, unter deren Dach der ANA-Aufbau eigentlich ablaufen sollte, hat nach Beobachtermeinung bisher völlig versagt. Allein die US-Armee in Afghanistan, die ohnehin keinen großen Unterschied zwischen Militär- und Polizeieinsatz macht, steckt seit drei Jahren enorme Kräfte in den Aufbau der ANA. Zuletzt finanzierte Washington auch den Anstieg der Polizistenlöhne. 240 US-Dollar bekommt ein Polizist jetzt pro Monat für einen Einsatz in Regionen mit "hoher Bedrohung".
Bis Mitte 2010, kündigt Innenminister Thomas de Maizière (CDU) an, schickt Deutschland 260 Ausbilder; 150 arbeiten dort bereits. Die Deutsche Polizeigewerkschaft warnte die Regierung bereits, dass die Ressourcen endlich seien: "Wir können nicht gleichzeitig am Hindukusch und auf dem Kurfürstendamm sein", so der Bundesvorsitzende Rainer Wendt. Die eigentliche Diskussion könnte aber bald der um die Bundeswehr ähneln: Ist Afghanistan ein humanitärer oder ein Kampfeinsatz?