Außerdem sieht Minister Rainer Brüderle in den Preiserhöhungen durch die Energiekonzerne einen Fall für die Kartellbehörden.

Hamburg. Angesichts deutlicher Strompreiserhöhungen hat Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) die Kunden zum Wechsel des Anbieters aufgefordert. "Die Verbraucher sollten die angekündigten Strompreiserhöhungen zum Anlass nehmen, sich günstigere Stromanbieter zu suchen", sagte Brüderle dem Hamburger Abendblatt. "Wechselmöglichkeiten sind genug vorhanden. Dadurch kann der Wettbewerbsdruck auf die Stromwirtschaft erhöht werden."

Außerdem sieht der Wirtschaftsminister in dem Vorhaben von 40 Stromanbietern, ihre Preise zum Jahresbeginn 2010 um durchschnittlich fünf Prozent zu erhöhen, einen Fall für die Wettbewerbskontrolle. Es stehe "den Kartellbehörden frei, Untersuchungen einzuleiten oder eine Missbrauchskontrolle durchzuführen", sagte Brüderle. Beim Heizstrom und im Stromgroßhandel habe das Bundeskartellamt bereits entsprechende Untersuchungen eingeleitet.



Verbraucherministerin Ilse Aigner indes wertete die angekündigte Preiserhöhung nicht als Grund, die Kartellbehörden einzuschalten. Manche Anbieter wollten die Preise senken, hob die CSU-Politikerin gestern hervor. "Die Möglichkeit des Wechsels ist gegeben. Wenn alle gleichzeitig erhöht hätten, dann wäre es ein Fall fürs Kartellrecht." Der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Hendrik Hering (SPD) forderte einen Strom-Gipfel der Bundesregierung mit Vertretern der Energiewirtschaft. Der Bund müsse gegenüber den vier großen Stromkonzernen "klare Ansagen treffen, um mehr Wettbewerb zu ermöglichen".



Nach Angaben des Verbraucherportals Verivox kündigten zwei der vier größten Konzerne an, ihre Preise anzuheben: Vattenfall erhöht in Hamburg um 4,4 Prozent, in Berlin um 5,9 Prozent. Beim hauptsächlich in Baden-Württemberg aktiven EnBW soll der Strom 7,5 Prozent teurer werden. Der Hamburger Ökostromanbieter Lichtblick will seinen Tarif sogar um zehn Prozent, die Oldenburger EWE um 14 Prozent anheben. Dagegen haben die beiden größten deutschen Energiekonzerne E.on und RWE nicht vor, ihre Preise zum Jahreswechsel zu verändern.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) forderte einen Abbau der Wettbewerbsbeschränkungen im Strommarkt. "Wir haben nach wie vor Oligopole, also viele Nachfrager, aber nur wenige Anbieter. Was wir brauchen, sind mehr Anbieter, die im Wettbewerb zueinander stehen", sagte Vzbv-Sprecher Steffen Küßner dem Abendblatt.

Obwohl der Energiemarkt 1998 liberalisiert wurde und bis 2000 etwa 100 Anbieter hinzukamen, produzieren RWE, E.on, Vattenfall und EnBW nach Angaben der Verbraucherzentralen immer noch mehr als 80 Prozent des Stroms. Die Preise für Privathaushalte sind stetig gestiegen - nach Berechnungen des Bundeswirtschaftsministeriums von durchschnittlich 14,37 Cent pro Kilowattstunde im Juli 2000 auf 22,60 Cent im Januar des laufenden Jahres.