Kanzlerin Merkel kritisiert hohe Haftstrafe für Liu Xiaobo. Minister Röttgen und Niebel werfen China Blockade des Weltklimagipfels vor.

Hamburg. Eine derart geballte Kritik der deutschen Regierung an China hat es selten gegeben. Nach der Verurteilung des prominenten Bürgerrechtlers Liu Xiaobo zu elf Jahren Haft zeigten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) verärgert über die chinesische Staatsführung. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) erhoben zudem schwere Vorwürfe gegen Peking wegen des gescheiterten Weltklimagipfels in Kopenhagen.

Das Heiligabend gefällte Urteil gegen Liu Xiaobo wollte Merkel nicht unkommentiert lassen. In einer Erklärung an Weihnachten griff sie die chinesische Regierung scharf an. "Ich bedauere, dass die chinesische Regierung trotz großer Fortschritte in anderen Bereichen die Meinungs- und Pressefreiheit immer noch massiv einschränkt", sagte Merkel. Sie hoffe auf eine Revision des Urteils. Auch Außenminister Westerwelle äußerte sich tief besorgt. China habe den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte unterzeichnet, in dem die grundlegenden Menschenrechte garantiert würden - auch das Recht auf Meinungsfreiheit.

Die Bundesregierung hatte sich zuletzt 2007 mit China angelegt, als die Kanzlerin den Dalai Lama empfing und sie ihm ihre Unterstützung bei seinen Bemühungen um die Wahrung der kulturellen Identität Tibets zusicherte. Als "schwere Einmischung in innere Angelegenheiten" verurteilte daraufhin Chinas Regierung das Treffen.

Das nun gesprochene Urteil war Menschenrechtlern zufolge das bislang härteste gegen einen Dissidenten nach einer Anklage wegen Untergrabung der Staatsgewalt. Der Entscheidung war lediglich eine zweistündige Anhörung hinter verschlossenen Türen am Mittwoch vorausgegangen. Diplomaten aus mehr als einem Dutzend Ländern wurde der Zugang zum Prozess verwehrt. Die EU und die USA hatten zuvor wiederholt Lius Freilassung gefordert, worauf sich die chinesische Regierung jede Einmischung aus dem Ausland verbat.

Der verurteilte Bürgerrechtler, der heute 54 Jahre alt wird, hatte sich als eine der prominentesten kritischen Stimmen seines Landes für politische Reformen engagiert. Der ehemalige Literaturprofessor ist einer der Verfasser der "Charta 08", eines Appells für mehr Demokratie, politische Liberalisierung und Meinungsfreiheit in China. Liu hatte bereits wegen der studentischen Protestbewegung von 1989 insgesamt 20 Monate im Gefängnis verbracht. Im vergangenen Dezember wurde Liu schließlich festgenommen. Seine Frau Liu Xia teilte mit, man werde das Urteil anfechten. Menschenrechtlern zufolge erhoffte sich die chinesische Regierung mit dem Urteilsspruch an den Weihnachtstagen weniger internationale Aufmerksamkeit.

Auch Chinas Rolle beim erfolglosen Weltklimagipfel in Kopenhagen ruft weiterhin die Kritik der Bundesregierung hervor. Umweltminister Röttgen sagte dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", den Chinesen sei es nicht um Klimaschutz gegangen, "sondern um Verhinderung". Röttgen hielt nicht nur dem chinesischen Regierungschef Wen Jiabao, sondern auch US-Präsident Barack Obama vor, sie hätten sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigt: "China will nicht führen, die USA können nicht führen." Entwicklungsminister Niebel kritisierte im Hamburger Abendblatt, dass Schwellenländer wie China auf dem Weltklimagipfel in Kopenhagen so getan hätten, als seien sie "Entwicklungsländer wie alle anderen". Dabei zählten sie zu den größten Emittenten von Treibhausgasen (siehe Interview auf dieser Seite).