Hamburg/Berlin. Am sogenannten Studium Bolognese wird weiter herumgedoktert. Die europaweite Reform zur Einführung von vergleichbaren Bachelor- und Masterabschlüssen ("Bologna-Prozess") wird in Deutschland deutlich nachgebessert. Dazu haben auch die massiven Studentenproteste der vergangenen Wochen beigetragen. Sie sollen heute bei der Konferenz der Kultusminister in Bonn weitergehen.
"Nachsitzen" fordern die angehenden Akademiker von den Politikern. Sogar der Deutsche Hochschulverband rief alle Dozenten auf, die Vorlesungen und Seminare zu verschieben, damit die Studenten an den Demonstrationen teilnehmen können. Zehn Jahre nach Einführung der Bachelor-Studiengänge sei "kein einziges Reformziel erreicht worden", sagte Präsident Bernhard Kempen. Unter der verfehlten Umsetzung der Bologna-Reformen litten Lernende und Lehrende gleichermaßen.
Die Kultusminister schlagen heute eine Schneise in das Bachelor-Studium. Es soll weniger Stoff gepaukt werden, die Zahl der Prüfungen soll begrenzt, das Studium insgesamt flexibler gestaltet werden. Ein Problem bislang war: Es gibt zu viele spezialisierte Studiengänge. Dadurch wurde der Wechsel an eine andere Uni erschwert.
Das neue bundesweite Konzept für die Bachelor- und Masterstudiengänge der Kultusminister sieht nun Verbesserungen vor. Aber auch die Ministerrunde sparte nicht mir Kritik: Sie fordert die Universitäten auf, das Bachelor-Studium nicht länger einheitlich auf sechs Semester zu begrenzen, sondern je nach Fach auch sieben oder acht Semester zuzulassen. Die Regelstudienzeit einschließlich Masterabschluss soll weiter fünf Jahre betragen.
Die Hochschulen müssten das Studium so organisieren, dass ein Student nicht länger als 32 bis 39 Stunden pro Woche mit Vorlesungen, Seminaren, Übungen, Praktika und Selbststudium beschäftigt ist - bei 46 Studienwochen pro Jahr, heißt es in den Vorgaben der Minister. "Die Hochschulen haben die Studierbarkeit des Studiums unter Berücksichtigung der Arbeitsbelastung der Studierenden (...) nachvollziehbar darzulegen."
Umstritten ist unter den Kultusministern noch, ob die Hochschulen nach dem Bachelor-Abschluss für die wissenschaftliche Ausbildung in einem Masterstudiengang "weitere Zugangsvoraussetzungen bestimmen" können. Auch könnten Landeshochschulgesetze "eine entsprechende Eingangsprüfung vorsehen", heißt es in der Vorlage.
Die Abschaffung dieser Zugangshürden zum Master ist eine Kernforderung des studentischen Protests. Viele Studenten befürchten, dass sie nur mit einem Bachelor-Abschluss schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Die Universitäten wollen an den Zulassungsbeschränkungen für den Master festhalten.
Die Ausbildungsförderung BAföG sollte nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und des Studentenwerks um vier Prozent steigen. Die Elternfreibeiträge beim BAföG sollten um bis zu fünf Prozent angehoben werden, forderten beide Organisationen. Bislang ist offen, um wie viel die Bundesregierung das BAföG erhöhen will. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock sagte: "Wir brauchen eine deutliche Erhöhung des BAföGs, um mehr junge Menschen aus einkommensschwachen Familien den Weg zur Hochschule zu ebnen." Das BAföG trockne aus, wenn nicht schleunigst Bedarfssätze und Freibeträge deutlich angehoben würden. Außerdem solle die Altersgrenze von 30 Jahren abgeschafft werden. Das könne auch Menschen mit Berufsausbildung und nach einer Kindererziehung das Studium schmackhafter machen.
Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes haben die in sechs unionsgeführten Bundesländern erhobenen Studiengebühren bislang nicht zu einer Massenflucht von Studienanfängern in gebührenfreie Länder geführt. Hamburg und Baden-Württemberg verzeichneten 2008 im Vergleich zu 2005 trotz Einführung der Gebühren erneut einen Zugewinn an Studenten aus anderen Bundesländern. Bundesländer, die keine Studiengebühren erheben, verzeichneten zwischen 2005 und 2008 sowohl Wanderungsgewinne als auch Verluste.
Diese Zahlen widersprechen allerdings den Ergebnissen einer Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Bundesländer mit Studiengebühren hätten Verluste hinzunehmen, schrieben die Forscher. Auch in Hamburg sei die Zahl der Erstsemester eingebrochen.