Der Wehrbeauftragte Reinhold Robbe nennt die Äußerungen des Verteidigungsministers “das richtige Signal an die Truppe“.
Berlin. Die Zeit der Beschönigungen ist vorbei. Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat mit Blick auf den Hindukusch das Wort "Krieg" in den Mund genommen. In einem Interview mit der "Bild"-Zeitung hat Deutschlands neuer Verteidigungsminister nicht nur von "kriegsähnlichen Zuständen" in Afghanistan gesprochen, sondern wörtlich gesagt, er habe Verständnis für jeden Soldaten, der sage: "In Afghanistan ist Krieg, egal, ob ich nun von ausländischen Streitkräften oder von Taliban-Terroristen angegriffen, verwundet oder getötet werde." Völkerrechtlich definiert könne Krieg zwar nur zwischen Staaten stattfinden. "Aber", so der Minister, "glauben Sie, auch nur ein Soldat hat Verständnis für notwendige juristische, akademische oder semantische Feinsinnigkeiten?"
Damit hat zu Guttenberg eine Kehrtwende vollzogen. Sein Amtsvorgänger Franz Josef Jung (CDU) hatte es ja stets vermieden, von einem Kriegseinsatz der deutschen Soldaten in Afghanistan zu sprechen.
Der Wehrbeauftragte der Bundesregierung, Reinhold Robbe, hat die Äußerungen des Ministers gestern umgehend begrüßt. "Minister zu Guttenberg hat offenbar ein feines Gespür für das, worauf die Truppe schon lange gewartet hat", sagte Robbe dem "Hamburger Abendblatt". "Er weiß, dass unsere Soldaten die stundenlangen Gefechte, die im Großraum Kundus stattfinden, als Krieg empfinden. Es ist das richtige Signal an die Truppe, dass der neue Verteidigungsminister schon in seinen ersten Amtstagen einräumt, dass in Teilen Afghanistans tatsächlich Krieg herrscht."
Der Wehrbeauftragte verwies darauf, dass zu Guttenberg gleichzeitig klargemacht habe, dass das politische Mandat des deutschen Isaf-Kontingents unverändert bleibe. "Und das politische Mandat", so Robbe, "bedeutet: Die afghanische Regierung wird beim Aufbau des Landes unterstützt, und das Ganze wird militärisch durch die Isaf abgesichert."
Auch aus der Sicht des Bundeswehrverbandes hat Karl-Theodor zu Guttenberg "mit Sicherheit den Puls der Truppe getroffen". Bundeswehrverbandschef Oberst Ulrich Kirsch meinte gegenüber der "Rheinischen Post": "Die Soldaten werden heute sicherlich gedacht haben: ,Endlich sagt's auch der Minister.'" Zu Guttenberg beschreibe die Situation genau so, wie sie die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr erlebten. "Die Frauen und Männer in Kundus haben jeden Tag mit Kampfgefechten, mit Tod und Verwundung zu tun. Sie wissen: Hier ist Krieg."
In der Opposition waren die Meinungen hingegen geteilt. Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger", zu Guttenberg nehme die Realitäten zur Kenntnis: "Das ist Krieg." Sein Vorgänger habe das "aus ideologischen Gründen" nicht getan und sei dafür "zu Recht kritisiert" worden. Ströbele mahnte: "Man sollte mit allen Waffenstillstandsverhandlungen beginnen, die dazu bereit sind."
Die Linkspartei nahm die Äußerungen des Ministers hingegen zum Anlass, den Abzug der deutschen Isaf-Soldaten zu fordern. Die deutsche Afghanistan-Politik stecke in einer Sackgasse, sagte der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke. Er forderte den Bundestag auf, das am 13. Dezember auslaufende Afghanistan-Mandat nicht zu verlängern.
Die politische Realität dürfte anders aussehen. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat zum Antrittsbesuch von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) von Deutschland ein größeres Engagement in Afghanistan gefordert. "Wann immer ich politische Verbündete der Mitgliedstaaten treffe, spreche ich mit ihnen über Truppen, weil wir weitere Beiträge zu unserer Mission in Afghanistan brauchen", sagte Rasmussen im Nato-Hauptquartier in Brüssel.