Wer wird nun wie belastet und wer setzt sich durch? Bis zur letzten Minute ringen Union und FDP um den gemeinsamen Koalitionsvertrag.
Berlin/Hamburg. Gesundheitsprämie ja, Kopfpauschale nein. Steuersenkung ja, aber. Wer blickt noch durch in der scheinbar widersprüchlichen schwarz-gelben Politik und beim Koalitionsvertrag der neuen Regierung? Abendblatt.de hat die kritischen Punkte vor der Unterzeichnung des Grundsatzvertrages der neuen Bundesregierung zusammengefasst:
Die Union lehnt den FDP-Wunsch nach einem Prämienmodell in der Gesundheitspolitik ab. „Es wird auf jeden Fall zu einer Prämie kommen, aber nicht zu einer sogenannten Kopfpauschale“, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder vor Beginn des kleinen CDU-Parteitags in Berlin. Zunächst bleibe es beim jetzigen Gesundheitssystem. Später werde sich die geplante Kommission um die Weiterentwicklung kümmern.
Langfristig bauen Union und FDP den Gesundheitsfonds komplett um. Die einen nennen das „abschaffen“ (FDP), die anderen „weiterentwickeln“. Dabei will keine Seite das Gesicht verlieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte vor der Wahl den Gesundheitsfonds gelobt. Die Liberalen wollten ihn eigentlich per Handstreich eliminieren.
Der designierte Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) sagte, in der gesetzlichen Krankenversicherung werde es einen Systemwechsel geben. CSU-Chef Horst Seehofer meinte: Zunächst ändere sich gar nichts. Eine Art Extraprämie werden demnächst die gesetzlichen Kassen erheben. Aber das wird vermutlich nicht so heißen. Denn die Kassen dürfen bald wieder einen Teil des Beitrages selbst bestimmen. Erheben sie diese Prämie pauschal, also vielleicht 10 oder 15 Euro pro Mitglied und Monat? Oder nehmen die Kassen einen Prozentsatz vom Einkommen? Letzteres ist einfacher einzutreiben und unbürokratischer.
Der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) sagte zu den langfristigen Plänen der Liberalen, eine „Kopfpauschale in reinster Form“ werde es nicht geben. Söder sagte auch, der Fonds sei aus seiner Sicht letztlich Geschichte. Das sehen CDU-Vertreter anders.
Union und FDP hatten bereits angekündigt, dass die Arbeitnehmer eine einkommensunabhängige Pauschale an ihre Kasse zahlen sollen. Damit würden höhere Kosten im Gesundheitswesen allein von den Versicherten aufgefangen. Der Arbeitgeberbeitrag (sieben Prozent vom Brutto) soll festgeschrieben werden, um die Gesundheitskosten von den Lohnzusatzkosten abzukoppeln. Für sozial Schwache ist ein Ausgleich aus Steuermitteln geplant.
Weitere Bruchstellen zwischen CDU, CSU und FDP gibt es bei den Steuern. Der künftige Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sorgte für Verwirrung, weil er die für 2011 versprochenen Steuersenkungen in der ARD nicht definitiv zusagen wollte. CSU-Chef Horst Seehofer erklärte: „Das sind Vereinbarungen und die kommen!“ Schäuble wollte sich in der ARD-Sendung „Anne Will“ nicht endgültig darauf festlegen, dass die Steuerentlastungen von 24 Milliarden Euro auch tatsächlich kommen. Die schwarz-gelbe Koalition werde alles tun, damit das möglich sei, sagte er, wollte aber kein Versprechen abgeben.
Der bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon versicherte, der Termin „wackelt selbstverständlich nicht“. Schäuble habe nur darauf hingewiesen, dass das Volumen der Entlastung und die neue Steuerstruktur jetzt noch nicht benannt werden könnten.
Bundeskanzlerin Merkel verteidigte beim kleinen Parteitag vor der Unterschrift unter den Koalitionsvertrag die Steuererleichterungen und Entlastungen der Sozialkassen im nächsten Jahr. Die neue Koalition habe sich entschieden, „den Pfad zu gehen, der voll auf Wachstum setzt.“ „Der bietet keine Garantie, dass es klappt. Aber der bietet die Chance, dass es klappt. Bei Sparen, Sparen, Sparen sehe ich keine Chance, dass wir es schaffen.“ (ryb/HA)