Union und FDP wollen damit für Gerechtigkeit sorgen. SPD spricht von “Stück aus dem Tollhaus“. Der Schattenhaushalt ist geplatzt.
Berlin. Union und FDP wollen den Wehrdienst voraussichtlich zum 1. Januar 2011 von neun auf nur noch sechs Monate verkürzen. Darauf einigten sich die Parteien in den Koalitionsverhandlungen. Die Entscheidung ist ein Kompromiss zwischen der Forderung der Liberalen, die die allgemeine Wehrpflicht ganz abschaffen wollten, und der Position der Union, für die der Dienst an der Waffe als "zentrales Instrument der Sicherheitsvorsorge" als nicht verhandelbar galt.
Aus der Koalitionsrunde hieß es allerdings später einschränkend, der Punkt sei noch nicht endgültig abgehakt. Doch teilen CDU-Politiker die Kritik der Liberalen, dass angesichts sinkender Einberufungszahlen keine Wehrgerechtigkeit mehr bestehe. Durch eine Verkürzung der Wehrdienstzeit könnten wieder mehr Männer eingezogen werden, hieß es. Der Pflichtdienst soll offenbar künftig folgendermaßen gegliedert werden: drei Monate Grundausbildung, zwei Monate Spezialausbildung und einen Monat Fachdienst. Grundsätzlich sollen die Wehrdienstleistenden einen Monat Urlaub haben. Strittig war zunächst noch, ob dieser Monat in die Dauer des Wehrdienstes einbezogen wird. Dann würde dieser formal insgesamt sieben Monate dauern.
Der SPD-Verteidigungsexperte Johannes Kahrs sprach gegenüber dem Abendblatt von einem "Stück aus dem Tollhaus": "Wenn Wehrdienst irgendeinen Sinn ergeben soll, dann muss er mindestens neun Monate dauern. In sechs Monaten kann keiner der Rekruten eine wertvolle Aufgabe für die Truppe übernehmen. Das ist Betrug an jungen Menschen." Laut Verteidigungsministerium wurden im vergangenen Jahr 456.000 Männer zwischen 18 und 23 Jahren gemustert und davon 68.270 einberufen. In ähnlichem Umfang leisten junge Männer Zivildienst. Auch hier plant die neue Regierung Änderungen. Wie aus dem vorläufigen Koalitionsvertrag hervorgeht, der dem Abendblatt vorliegt, will Schwarz-Gelb die Möglichkeit einer "abschnittweisen Ableistung" des Zivildienstes prüfen. Außerdem soll künftig ausgeschlossen sein, dass Schulabgänger sowohl den Zivildienst als auch ein Freiwilliges Soziales Jahr ableisten.
Unterdessen zeichnet sich ab, dass der Spielraum für die von Union und FDP geplanten Steuersenkungen enger wird. Denn der heftig umstrittene "Schattenhaushalt" mit neuen Milliardenschulden für die Sozialkassen ist geplatzt. Nach viel Kritik verzichteten Union und FDP darauf, bereits für dieses Jahr ein "Sondervermögen" einzurichten und dafür einen Nachtragsetat vorzulegen.