Die Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen müssen sich auf Beitragssteigerungen einstellen: Den Kassen fehlen im kommenden Jahr voraussichtlich 7,5 Milliarden Euro zur Deckung ihrer Ausgaben.
Hamburg. Zu diesem Ergebnis kam der sogenannte Schätzerkreis aus Experten des Bundesgesundheitsministeriums, des Bundesversicherungsamts (BVA) sowie des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gestern Abend nach zweitägigen Beratungen in Bonn. Seit Einführung des Gesundheitsfonds am 1. Januar 2009 soll der Schätzerkreis, dem Finanzexperten vom Bundesgesundheitsministerium, den Krankenkassen und dem Bundesversicherungsamt angehören, jeweils im Herbst die Einnahmen und Ausgaben prognostizieren, mit denen im kommenden Jahr gerechnet werden kann. Auf dieser Basis wird dann der Beitragssatz festgelegt. Für 2010 erwarten die Experten für den Gesundheitsfonds schwache Einnahmen bei deutlich steigenden Ausgaben für Ärztehonorare, Kliniken und Arzneimittel.
Die künftige Bundesregierung hat nun mehrere Möglichkeiten, um das fehlende Geld aufzutreiben: Sie kann den einheitlichen Beitragssatz anheben oder mehr Steuergelder in den Gesundheitsfonds pumpen. Beides gilt als unwahrscheinlich, zumal die Regierung erst im Juli mithilfe von Steuerzuschüssen den Beitragssatz von 15,5 auf 14,9 Prozent gesenkt hat.
Als Alternative bieten sich Zusatzbeiträge an: Wenn eine Krankenkasse mit dem aus dem Gesundheitsfonds zugewiesenen Geld nicht auskommt, darf sie diese Beiträge direkt von ihren Mitgliedern verlangen. Derzeit liegt die Obergrenze für den Beitragssatz bei einem Prozent des Bruttoeinkommens. Bei einer geltenden Bemessungsgrenze von 3675 Euro bedeutet das also eine zusätzliche Belastung von maximal 36,75 Euro pro Monat. Um die drohende Finanzierungslücke zu schließen, will die CDU die Ein-Prozent-Klausel kippen. Durch eine solche Erhöhung der Zusatzbeiträge würden vor allem die Arbeitnehmer belastet.
Die Kassen fordern von der Regierung dagegen ein Sparpaket. Die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, forderte, nun müsse die Ausgabenseite in den Blick genommen werden. "Angesichts der dramatischen Einnahmeausfälle der gesetzlichen Krankenversicherung dürfen die Einnahmen der Pharmaindustrie, der Krankenhäuser und der Ärzte nicht ungebremst steigen."
Allerdings ist nach Pfeiffers Einschätzung davon auszugehen, "dass selbst mit einem sehr engagierten Sparpaket dieses Minus nicht komplett ausgeglichen werden kann, ohne dass die Versorgungsqualität der über 70 Millionen gesetzlich Versicherten in Deutschland leiden würde". Sie forderte die neue Regierungskoalition zu Entscheidungen auf der Einnahmeseite über den notwendigen Defizitausgleich auf - entweder durch eine Erhöhung des Steuerzuschusses oder eine Anhebung des Beitragssatzes. "Wenn beides nicht passiert, werden zahlreiche Krankenkassen im kommenden Jahr Zusatzbeiträge erheben müssen, um die fehlenden Milliarden zu finanzieren." Einige der 186 Kassen haben zwar Rücklagen - insgesamt sind es nach Angaben des Gesundheitsministeriums etwa fünf Milliarden Euro, allerdings ungleich verteilt.
DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach kritisierte, die Kostensteigerungen dürften nicht einseitig den Versicherten über Zusatzbeiträge aufgebürdet werden. Auch der Sozialverband Deutschland (SoVD) sprach sich gegen jede Ausweitung von Zusatzbeiträgen aus.