Horst Seehofer hat bei der Bundestagswahl kräftig Federn gelassen, und er weiß es. Dem CSU-Vorsitzenden ist aber offenbar nicht klar, dass es die anderen auch wissen.
Berlin. Nur so lässt sich Seehofers gestrige Erklärung verstehen, seine Partei gehe selbstverständlich als "gleichberechtigter Partner" in die Koalitionsverhandlungen - das Kräfteverhältnis zur FDP habe sich nur "numerisch" verschoben.
Tatsächlich werden die Liberalen im neuen Bundestag über doppelt so viele Sitze verfügen wie die CSU, die mit 42,6 Prozent der Stimmen in Bayern ein für sie miserables Ergebnis eingefahren hat. Der Einzige, der noch aus Bayern herausleuchtet, ist Karl-Theodor zu Guttenberg. Atemberaubende 68,1 Prozent hat der amtierende Bundeswirtschaftsminister in seinem oberfränkischen Wahlkreis erzielt. Das war bundesweit Rekord und hat Horst Seehofer noch zusätzlich in Alarmstimmung versetzt. Der seine Stellung schon bedroht sieht, zumal in der CSU-Spitze die Forderung laut geworden war, Karl-Theodor zu Guttenberg solle in den Koalitionsgesprächen eine Führungsrolle übernehmen. Dazu meinte Seehofer, zu Guttenberg werde "wie andere Leistungsträger der Partei" zur Verhandlungsdelegation gehören, aber: "Die Koalitionsverhandlungen werden von den Parteien geführt, und der Parteivorsitzende bin ich!" Zu Guttenberg selbst sagte, er wolle auf jeden Fall "die Kompetenz einer Wirtschaftspolitik der letzten Monate" in die Verhandlungen einbringen.
Die sollen am Montagnachmittag beginnen, CDU und CSU wollen bereits morgen Abend ihre gemeinsame Linie abstecken. Es gebe eine "totale Übereinstimmung" über die weitere Vorgehensweise, sagte Seehofer gestern im Anschluss an sein Treffen mit der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel im Kanzleramt. CDU und CSU hätten vor, die Koalitionsgespräche "in engstem Schulterschluss" zu führen.
Die CSU-Landesgruppe im Bundestag hat ihren Vorsitzenden Peter Ramsauer im Amt bestätigt. Für den 55-Jährigen, der als Spitzenkandidat für die CSU bei der Bundestagswahl angetreten war, stimmten am Dienstag in Berlin 40 von 44 Abgeordneten. Damit erhielt der gelernte Müller und promovierte Staatswissenschaftler eine Stimme weniger als vor vier Jahren. Ramsauer sprach anschließend dennoch von einem "glänzenden Rückhalt", der geeignet sei, die CSU-Positionen einzubringen und "auch gegenüber den Verhandlungspartnern CDU und FDP durchzusetzen". Allerdings könnte es sein, dass Ramsauer nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen an den Kabinettstisch wechselt. Den Posten des Landesgruppenvorsitzenden müsste er dann wieder abgeben, da sich Regierungs- und Fraktionsämter ausschließen.
Unterdessen hat in München die Debatte über den künftigen Kurs der Partei begonnen. Während die Niederbayern eine Rückbesinnung auf traditionelle konservative Werte forderten, will Georg Schmid, der Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion, eine "Zukunftsvision für den Freistaat Bayern im kommenden Jahrzehnt" entwickeln. Staatskanzleichef Siegfried Schneider setzt auf eine austarierte Mischung zwischen modern und konservativ. "Wir haben in Oberbayern 51,8 Prozent der Erststimmen erreicht", meinte der Oberbayer am Dienstag. "Das ist das Potenzial der CSU, und das zeigt, dass die Thesen vom Ende der Volksparteien nicht richtig sind."