Der stellvertretende CDU-Parteivorsitzende warnt die Union vor bösem Erwachen: “Es wird ein extrem knappes Ergebnis.“
Hamburg/Wiesbaden. Fünf Tage vor der Bundestagswahl hat der stellvertretende CDU-Vorsitzende Roland Koch seine Partei dazu aufgerufen, im Wahlkampf mehr Einsatz zu zeigen. "Niemand sollte glauben, dass wir die Bundestagswahl von der Zuschauertribüne aus gewinnen. Das gilt für die CDU-Führung wie für jeden einzelnen CDU-Anhänger", sagte Koch im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt. "Die letzten Tage vor der Wahl müssen davon gekennzeichnet sein, dass jeder in der Union bis zum Äußersten kämpft. Der Erfolg stellt sich nicht von selbst ein."
Koch betonte, der sachliche Wahlkampf der CDU passe zu Bundeskanzlerin Angela Merkel, und er passe gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise. "Aber wir brauchen auch das Engagement, miteinander jeden einzelnen Wähler zu überzeugen." Er forderte die eigene Partei auf, dafür zu sorgen, dass "eine selbstbewusste FDP mit einer starken CDU zusammenkommt". Die Union müsse ihren Wählern klar sagen, dass es in diesem Jahr nicht notwendig sei, Leihstimmen an die FDP zu geben, so Hessens Ministerpräsident. "Für alle, die bürgerlich wählen wollen, sind Erst- und Zweitstimme am besten bei der CDU aufgehoben."
Er gehe optimistisch, aber auch angespannt in diesen Wahltag, bekannte Koch. "Es wird ein extrem knappes Ergebnis. Am Ende wird es auf Nuancen ankommen." Einer Allensbach-Umfrage zufolge, die gestern von der "Frankfurter Allgemeinen" veröffentlicht wurde, ist die Union um einen Punkt auf 35 Prozent zurückgefallen. Zusammen mit der FDP erreicht sie 48,5 Prozent - zwei Punkte mehr als SPD, Grüne und Linkspartei. Wahlforscher erwarten allerdings zahlreiche Überhangmandate für die Union.
Koch wies Einwände von SPD und Grünen zurück, eine schwarz-gelbe Regierungsbildung mithilfe von Überhangmandaten sei illegitim. "Wir streben keine Regierung auf der Basis von Überhangmandaten an, aber am Ende entscheidet der Wähler in Wahlkreisen und Landeslisten, wie der Deutsche Bundestag zusammengesetzt ist", sagte er. "Das ist völlig legitim, und mit dieser Mehrheit wird dann auch regiert." Die Regelung zu den Überhangmandaten war vom Bundesverfassungsgericht beanstandet worden. Koch kündigte eine Änderung des Wahlrechts für die nächste Legislaturperiode an.
Der Ministerpräsident warnte eindringlich vor einer Fortsetzung der Großen Koalition. Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Union und SPD seien in den vergangenen vier Jahren aufgebraucht worden. "Eine Fortsetzung der Großen Koalition würde unserem Land nicht mehr nutzen, weil Union und SPD in den kommenden vier Jahren bestenfalls professionell den Stillstand verwalten könnten", sagte Koch. "Wenn Angela Merkel ihre Möglichkeiten und Kräfte entfalten soll als Kanzlerin, muss sie befreit werden von sozialdemokratischen Hemmnissen. Sie muss die Chance haben, mit der FDP eine sozial ausgleichende, aber auch moderne Politik zu machen."
Koch äußerte sich zurückhaltend zu dem Versprechen der CSU, die Einkommensteuer schon 2011 zu senken. "Ich hoffe sehr, dass sich die Jahreszahlen der CSU mit den Steuereinnahmen in Einklang bringen lassen. Da ist ein Stück Optimismus dabei", erklärte er. "Wir werden uns die Steuereinnahmen anschauen und dann verantwortlich entscheiden." Der Regierungschef bekräftigte das Ziel der Union, die Bürger im Lauf der kommenden Legislaturperiode zu entlasten. "CDU und CSU geben den Bürgern klar die Perspektive von Steuersenkungen in der nächsten Wahlperiode", sagte er. "Vor allem diejenigen, die als Leistungsträger den Aufschwung gestalten, sollen entlastet werden."
Koch vermied es, die abweichende Positionierung der Schwesterpartei CSU im Bundestagswahlkampf zu betonen. "Die CSU hat die Verantwortung, möglichst viele Stimmen in Bayern zu gewinnen. Die CDU hat diese Verantwortung in den anderen 15 Bundesländern", führte er aus. "Da geht jeder ein kleines Stück seinen eigenen Weg - im Rahmen des programmatisch Verabredeten."