Sie war staatsmännisch gediegen und mit klaren Aussagen gesättigt, die Rede der Kanzlerin zur Tragödie von Kundus. Noch besser wäre gewesen, man hätte sie ein oder zwei Tage früher vom Verteidigungsminister gehört.
Denn Bundeswehr und Afghanistan-Einsatz dürfen wohl dessen Zuständigkeit zugerechnet werden.
Angela Merkel hatte angesichts der grobmotorischen Informationsstrategie von Franz Josef Jung offenbar das dringende Bedürfnis, sich selber zum Rednerpult zu bemühen. Jungs Handhabung der Krise gleicht jener von George W. Bush im Hurrikan "Katrina": ignorieren, beschwichtigen, abwarten. Nicht nur für die Opposition eine weitere Gelegenheit festzustellen, dass Jung nicht eben die Idealbesetzung für seinen Posten darstellt.
Für die Linke ist die jäh wieder aufgeflammte Debatte über Sinn und Zweck des Afghanistan-Einsatzes, den regelmäßig zwei Drittel der Deutschen in Umfragen ablehnen, ein Wahlkampfgeschenk. Denn Oskar Lafontaines Truppe ist die einzige Partei im Bundestag, die den Krieg am Hindukusch rundweg ablehnt. Als wäre es ein Element der Chaos-Theorie, könnte der nächtliche Befehl eines Bundeswehr-Obersts in Kundus am Ende also zu einer Stärkung der Linken im Bundestag in Berlin führen.
Zu einer Stresslage im Atlantischen Bündnis hat der Vorfall bereits geführt. Die von der Kanzlerin mit Recht zurückgewiesenen Vorwürfe vor allem der US-Militärs dürften folgenden Hintergrund haben: Für die Amerikaner, die wohl Zehntausende tote Zivilisten im Irak und Tausende in Afghanistan zu verantworten haben, bietet sich hier die Gelegenheit zum Entlastungsangriff. Zudem will die US-Armee stärker auf den Norden Afghanistans zugreifen - eine Diskreditierung der dort operierenden Bundeswehr als inkompetent leistet diesem Plan Vorschub. Für die kriegführende Nato ist dieser Egoismus fatal.