Sozialdemokraten präsentierten zentrale Motive ihrer Kampagne. 27 Millionen Euro für Werbung. Andere Plakate als bei verlorener Europawahl.
Berlin. Wer erwartet hatte, dass der Wahlkampfleiter der SPD angesichts der schwachen Umfragewerte nun eine aufsehenerregende Plakatkampagne präsentieren würde, der wurde gestern im Atrium des Willy-Brandt-Hauses enttäuscht. Kajo Wasserhövel und sein Team scheinen nach dem Misserfolg ihrer deutlich unkonventioneller ausgefallenen Europawahlkampagne (gezeichneter Finanzhai, personifizierter Fön) lieber wieder auf Bewährtes zu setzen. Da lächeln nun also unbekannte, aber der SPD verbundene Rentner, Arbeiter und Studenten in die Kameras. Sie könnten quasi jedes erdenkliche Produkt anpreisen - wären da nicht die rot unterlegten Slogans in weißen Lettern, die auch dem Klassenletzten klar signalisieren: Das ist Wahlwerbung der Sozialdemokraten. "Die SPD kämpft für Arbeitsplätze", "Gesundheit darf kein Luxusprodukt werden" und: "Bildung darf nicht vom Konto der Eltern abhängen" lauten zentrale Aussagen der ersten Plakatwelle, die in diesen Tagen über Deutschland kommt. Und die man so oder anders von den Sozialdemokraten auch aus früheren Wahlkämpfen kennt.
Heißt das Motto im Willy-Brandt-Haus also: Mit Konventionellem ankämpfen gegen den Genossen Trend? Wasserhövel konterte. "Krawalliges" sei jetzt nicht gefragt. Und schoss dann ausführlich gegen die Union, die bereits am Montag die ersten Motive ihrer Wahlwerbung vorgeführt hatte. Schließlich zeichne sich inzwischen ab, dass die Merkel-Partei wie in den vergangenen Wahlkämpfen auch ein "Mobilisierungsproblem" habe - diesmal, weil ihr eine klare Botschaft und zwingende Argumente fehlten. Die SPD werde jedenfalls den offenkundigen Versuch der Union vereiteln, den Wählern vorzugaukeln, sie könnten sich zurücklehnen - und Merkel mal machen lassen.
27 Millionen Euro (drei Millionen Euro mehr als 2005) investieren die Sozialdemokraten, um sich bis zum 27. September noch in jene Situation "reinzukämpfen", in der der Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier Kanzler werde. Das einzige Porträt des Außenministers , das schon jetzt zu sehen ist, heißt deshalb auch optimistisch "Kanzlerplakat". Weitere Steinmeier-Aufnahmen werden erst in einer zweiten Welle ab 31. August an den Straßenrändern aufgestellt. Dann soll auch der Slogan "Unser Land kann mehr" verstärkt zum Einsatz kommen.
Der "Deutschland-Plan" Steinmeiers, auf den sich die SPD-Werbung bezieht, sei jedenfalls als Thema gesetzt und durchgedrungen, frohlockte Wasserhövel. Es sei "ambitioniert" von der Union, darauf nicht mit einem eigenen Wirtschaftsprogramm antworten zu wollen, lästerte er. "Ich bin gespannt, wie lange sie das noch durchhalten wollen."
Etwas Mut machen kann den Sozialdemokraten das Ergebnis einer neuen Emnid-Umfrage, wonach der Wert für Schwarz-Gelb auf 49 Prozent geschmolzen ist. Grund dafür ist, dass die Union bei Emnid unverändert auf dem schwachen Niveau von 2005 verharrt und die FDP gegenüber der Vorwoche einen Punkt auf 14 Prozent eingebüßt hat. Die SPD legte in der Umfrage im Auftrag des Senders N24 um einen Punkt auf 24 Prozent zu. Die Grünen rangieren stabil bei zwölf und die Linkspartei bei elf Prozent. Allerdings sieht die neue Forsa-Umfrage für das Magazin "Stern" die SPD nur bei 21 Prozent (plus einen Prozentpunkt), die CDU/CSU aber bei 38 Prozent (plus einen Prozentpunkt), während die FDP auch hier um einen Punkt auf 13 Prozent fällt. Die Grünen sanken um einen Punkt auf zwölf Prozent, und die Linke erreichte elf Prozent. Eine Aufholjagd sieht aber anders aus.