Der Grünen-Voristzende sagte dem Hamburger Abendblatt: Seine Solidarität gehöre denen, die man um ihren Wahlsieg betrogen habe. “Das sind wir den Opfern schuldig.“
Berlin/Hamburg. Am Vorabend der Vereidigung des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, zogen Hunderte von Demonstranten friedlich über den Kurfürstendamm in Berlin. Sie protestierten gegen den Wahlbetrug und die Gewalt, mit der das Mullah-Regime alle Proteste im Iran niedergeschlagen hatte. 20 bis30 Menschen sollen dabei ums Leben gekommen sein. Auf der Abschlusskundgebung erklärte der Vorsitzende der Bündnisgrünen, Cem Özdemir, der Westen dürfe angesichts der Ereignisse im Iran nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Den Toten und ihren Angehörigen müsse der Respekt und das Mitgefühl des Westens gelten, sagte Özdemir auf der Kundgebung am Berliner Breitscheidplatz. Er sprach sogar einige Sätze auf Persisch.
Dem Hamburger Abendblatt sagte Özdemir, seine Solidarität gehöre denen, die man um ihren Wahlsieg betrogen habe. Er habe viele Freunde, die aus dem Iran stammten, und wolle dazu beitragen, dass die Aufmerksamkeit nicht nachlasse. "Das sind wir den Opfern schuldig." Die Arme des Mullah-Regimes reichen allerdings weit. Der Verfassungsschutz schrieb in seinem Bericht für das Jahr 2008, dass die iranische Botschaft in Berlin mit Agenten durchsetzt sei, "die mit der Beobachtung von in Deutschland lebenden Oppositionellen beauftragt" seien. Demonstranten würden gefilmt, die entsprechende Informationen nach Teheran weitergeben.
"Anschließend", sagte der Politologe Pedram Shahyar, "werden Freunde und Angehörige bedroht." Shahyar, der vor 23 Jahren mit seinen Eltern aus dem Iran nach Deutschland geflüchtet ist, organisiert seit der von Fälschungsvorwürfen überschatteten Wiederwahl Ahmadinedschads am 12. Juni die Proteste in Berlin. Nicht nur in Berlin, auch in Hamburg gibt es Erkenntnisse darüber, dass der iranische Nachrichtendienst Oppositionelle beobachtet. Man wisse, bestätigte Manfred Murck dem Hamburger Abendblatt, dass Kundgebungen vor dem iranischen Generalkonsulat gefilmt würden. Der stellvertretende Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes fügte hinzu, es gebe auch gesicherte Erkenntnisse darüber, dass der iranische Geheimdienst versuche, Oppositionelle als Spitzel anzuwerben.
Ein in Hamburg lebender Deutsch-Iraner, der - anders als Pedram Shahyar, auch Sprecher der globalisierungskritischen Attac-Organisation ist - unbedingt anonym bleiben möchte, berichtet: "Ich kenne Betroffene, die im Iran am Flughafen sofort festgenommen wurden, weil Fotos von ihnen aufgetaucht waren, die sie bei Demonstrationen in Deutschland zeigen."
Der Hamburger Lutz Bucklitsch stellt Kontakte zwischen den verschiedenen Gruppen in Deutschland her und organisiert ebenfalls Kundgebungen und Demonstrationen. Er sei eigentlich unpolitisch, sagt der 49-Jährige, und dass es ihm allein um die Menschenrechte im Iran gehe. Persönlich habe er keine familiären Bindungen an den Iran, er sei vielmehr durch Medienberichte in das Thema "hineingerutscht" und fühle sich verpflichtet mitzuhelfen. Bucklitsch berichtet von einer speziellen Software, die es dem iranischen Geheimdienst ermögliche, Gesichter von Demonstranten zu erkennen und zuzuordnen. Er selbst ist auch schon bedroht worden. "Ich bekam einen Anruf, bei dem mir gesagt wurde, nur weil ich Deutscher sei, solle ich nicht glauben, mir würde nichts passieren."
Ahmadinedschad hatte am Montag erneut westliche Regierungen dafür verantwortlich gemacht, dass es nach der Präsidentschaftswahl zu Massendemonstrationen im Iran gekommen ist. Die Polizei will laut Nachrichtenagentur Fars inzwischen ein "leicht zurückgehendes Potenzial" für die Beteiligung an den Unruhen erkannt haben. Die iranische Opposition hat für heute allerdings zu neuen Protesten aufgerufen.