Die Wehrpflicht ist seit dem Fall des Eisernen Vorhangs ein Zankapfel in der deutschen Politik. Passt sie noch in die Zeit ohne große Militärblöcke, wenn nicht mehr die Heimatverteidigung gegen große sowjetische Panzerverbände die Hauptaufgabe ist?
Berlin. Ist sie noch gerecht, wenn immer weniger junge Männer eines Jahrgangs eingezogen werden - und Frauen der Pflicht gar nicht unterliegen? Können die neuen weltweiten Aufgaben der Bundeswehr nicht besser von Berufssoldaten ausgeführt werden?
Während die Union an der Wehrpflicht festhalten will, fordern FDP, Grüne und Linke die Abschaffung. Die SPD will die Wehrpflicht angesichts des immer geringer werdenden Anteils von tatsächlich Wehrdienstleistenden an einem Jahrgang "weiterentwickeln". So soll die Musterung für eine flexible Bedarfsdeckung erhalten bleiben. Einberufen werden sollen aber nur noch diejenigen, die sich zuvor zum Wehrdienst bereit erklärt haben.
Die Bundeswehr hat derzeit knapp 250 000 Soldaten. Davon sind laut Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) 60 000 Wehrdienstleistende. Nach einer Statistik des Bundestags leisteten vom Jahrgang 1984 mit rund 436 000 Männern nur 18,7 Prozent Dienst an der Waffe. 21,3 Prozent absolvierten Zivildienst, 2,1 Prozent gingen zum Katastrophenschutz oder in den Polizeidienst. Ausgemustert wurden 28,5 Prozent, 30 Prozent zurück gestellt. Daraus errechnet Jung, dass 80 Prozent der in Frage kommenden eines Jahrgangs einberufen werden. Um die Wehrgerechtigkeit zu verbessern, erhöhte er die Planstellen um 5000. FDP-Chef Guido Westerwelle errechnet aus der gleichen Statistik, dass nur 15 Prozent eines Jahrgangs eingezogen werden.
Der Wehrdienst beträgt seit 2002 neun Monate. Bei entsprechender Qualifikation können Wehrpflichtige ihren Dienst freiwillig bis zu einer Gesamtzeit von 23 Monaten verlängern. Das ist allerdings nur möglich, wenn der Wehrpflichtige bereit ist, sich an Auslandseinsätzen der Bundeswehr zu beteiligen. Männer, die lediglich neun Monate Wehrdienst absolvieren, nehmen grundsätzlich nicht an Auslandseinsätzen teil.
Ein Argument, dass immer wieder für die Wehrpflicht ins Feld geführt wird, ist die Verbindung zwischen Bevölkerung und Truppe. Nur durch die Wehrpflicht sei gewährleistet, dass sich auch in den Kasernen die Bevölkerungsstruktur widerspiegele. Eine Berufsarmee könnte dazu führen, wird befürchtet, dass die Truppe zum Sammelbecken sonst Chancenloser wird.
Tatsächlich stammen bereits jetzt 40 Prozent der an Auslandseinsätzen beteiligten Bundeswehrsoldaten aus den neuen Bundesländern. Ihr Anteil an der männlichen Bevölkerung eines gesamten Jahrgangs liegt allerdings nur bei etwa 25 Prozent.