Kanzlerin Merkel unterstützt den konservativen Portugiesen, die Sympathie für eine zweite Amtszeit Barrosos zum Ausdruck brachte. Doch die Sozialisten kündigen Widerstand an. Innenminister Schäuble spricht sich für Direktwahl des Kommissionspräsidenten aus.

Hamburg/Brüssel. José Manuel Barroso sieht seine wichtigste Verbündete in Berlin. Nachdem der EU-Kommissionspräsident gestern in Brüssel offiziell seine Kandidatur für eine zweite Amtszeit angekündigt hatte, stattete er am Nachmittag Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen Arbeitsbesuch im Kanzleramt ab.

Merkel unterstützt die Kandidatur von Barroso. Der bedankte sich gleich bei der CDU-Chefin: "Das bedeutet sehr viel für mich, nicht nur weil sie die Bundeskanzlerin ist, sondern weil sie eine überzeugte Europäerin ist." Merkel sagte, sie habe bereits ihre Sympathie für eine zweite Amtszeit Barrosos zum Ausdruck gebracht. "An der hat sich natürlich auch nichts geändert", fügte Merkel hinzu. Gleichzeitig kündigte sie Gespräche der Europäischen Volkspartei (EVP) mit den Sozialisten und den Liberalen im neuen Europaparlament an. "Da gibt es noch eine ganze Menge Arbeit zu tun", sagte sie.

Barroso steht seit Ende 2004 an der Spitze der Kommission, die die laufenden Geschäfte der Europäischen Union (EU) verwaltet. Zuvor war er zwei Jahre lang Ministerpräsident in Portugal.

Nach einem Treffen mit dem tschechischen Ministerpräsidenten und amtierenden EU-Ratsvorsitzenden Jan Fischer hatte Barroso am Vormittag gesagt: "Ich fühle mich geehrt, dass der EU-Ratspräsident mich gefragt hat, ob er mich für eine zweite Amtszeit vorschlagen darf. Ich habe zugestimmt."

Der konservative Politiker war zuvor bereits von der Europäischen Volkspartei (EVP), die nach der Europawahl am Sonntag erneut stärkste Kraft im EU-Parlament ist, für eine zweite Amtszeit empfohlen worden. Barroso schränkte allerdings ein, er stehe nur zur Verfügung, wenn die EU-Regierungen "das ehrgeizige Programm akzeptieren, das ich für die nächsten fünf Jahre vorlegen werde". Er glaube, "dass wir in Krisenzeiten eine starke Kommission und eine starke Europäische Union brauchen".

Die EU-Staats- und Regierungschefs kommen Ende nächster Woche zu einem Gipfeltreffen in Brüssel zusammen, auf dem unter anderem der von Barroso vorgeschlagene Fahrplan für die Reform der europäischen Finanzmarktaufsicht verabschiedet werden soll. Erwartet wird, dass die Chefs dann auch eine formelle gemeinsame Erklärung zur Unterstützung von Barrosos Kandidatur abgeben.

Im Europaparlament sind die Mehrheiten für den 53-Jährigen nicht so klar. Die EVP stellt in der Straßburger Volksvertretung mit 263 Stimmen zwar die größte Fraktion, braucht aber die Mehrheit aller 736 Mandate, mindestens 369 Stimmen. Die EVP muss also mindestens 106 Mitstreiter finden. Die Sozialisten haben bereits Widerstand gegen Barroso angekündigt. "Jetzt muss man sehen, ob die Sozialisten konstruktiv sind oder nicht", sagte der EVP-Abgeordnete Elmar Brok dem Abendblatt. "Es geht letztlich um ein ganzes Personaltableau, das auch den Parlamentspräsidenten umfasst."

Gleichwohl hoffen die Konservativen auf die Liberalen. Die haben im neuen Parlament aber nur 80 Sitze. Und ihr bisheriger Fraktionsvorsitzender, der Brite Graham Watson, plädiert dafür, die neue Kommission erst nach dem irischen Referendum zum Lissabon-Vertrag zu nominieren. Die Abstimmung auf der Grünen Insel soll im Herbst stattfinden.

Für eine Direktwahl des EU-Kommissionspräsidenten hat sich gestern Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ausgesprochen. "Wenn es im Wahlkampf um einen Kopf an der Spitze Europas geht, schafft das eine klar zugespitzte Aufmerksamkeit quer durch ganz Europa", sagte er der "Bild"-Zeitung.