Schäuble weiter gegen NPD-Verbot. Auch Islamisten und Linksextremisten werden immer gewalttätiger.

Berlin

Die Zahl rechtsextremistischer Straftaten hat 2008 deutlich zugenommen. Der Verfassungsschutz registrierte einen Anstieg von fast 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl rechtsextremer Gewalttaten stieg um 6,3 Prozent. Das geht aus dem aktuellen Verfassungsschutzbericht hervor, den Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) gestern vorlegte. Schäuble nannte den Anstieg von Gewalt besorgniserregend. Die Opposition kritisierte die Bekämpfung des Rechtsextremismus durch die Bundesregierung als unzureichend.

Der Minister betonte, die Beobachtung von rechten Gruppen werde einen Schwerpunkt der Arbeit des Verfassungsschutzes bilden. Dazu gehören die sogenannten Autonomen Nationalisten, die optisch ähnlich wie linke Autonome auftreten und sich durch besondere Gewaltbereitschaft hervortun. Eine neue Qualität stelle dabei die Attacke gegen Teilnehmer an einer Gewerkschaftskundgebung in Dortmund beim Tag der Arbeit dar. Zugleich sei die Zahl der Neonazis gerade innerhalb der NPD gestiegen. Der Szene wurden 4800 Personen zugerechnet. Schäuble sprach sich erneut gegen ein Verbot der NPD aus: "Ich halte nichts davon, Verbotsverfahren zu betreiben, die auf tönernen Füßen stehen." Das Risiko, einen Gerichtsprozess zu verlieren, sei zu groß: "Ein erneutes Scheitern würde wie ein Bumerang wirken" und dem Staat schaden.

Insgesamt zählten die Verfassungsschützer im vergangenen Jahr rund 19 890 rechtsextremistische Straftaten, darunter 1042 Gewalttaten. Die meisten Vorfälle wurden in Nordrhein-Westfalen registriert, gefolgt von Sachsen. In Hamburg verdoppelte sich die Zahl der Straftaten von 22 auf 45 Fälle. Auch in Berlin war eine deutliche Zunahme zu verzeichnen.

Sorge bereitet den Verfassungsschützern auch die zunehmende linksextreme Gewalt, wie sie in diesem Jahr bei den Krawallen zum 1. Mai sichtbar wurde. Schäuble kündigte an, das Thema auf der nächsten Konferenz der Innenminister in zwei Wochen in Bremen "intensiv" zu besprechen.

Weiterer Schwerpunkt der Verfassungsschützer: die Gefährdung Deutschlands durch den islamistischen Terrorismus. Bedrohlich sei, dass in Drohvideos direkt auf die Bundesrepublik Bezug genommen werde, oft auch in deutscher Sprache. Nur durch "Glück und gute Arbeit" sei Deutschland bisher von Anschlägen verschont geblieben. Als weitere beängstigende Tendenz nannte der Minister erhöhte Reiseaktivitäten von gewaltbereiten Muslimen: "Islamisten, die in Deutschland aufgewachsen sind, werden mittlerweile in militärischen Lagern im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet ausgebildet." Die Islamisten kehrten von dort noch radikalisierter und mit größerem Know-how für Anschläge zurück, warnte Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm. Schäuble sprach sich für eine rasche Verabschiedung des Gesetzentwurfs in Bundestag und Bundesrat aus, durch den schon der Aufenthalt in einem Terrorcamp unter Strafe gestellt werden soll.

Die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth, sprach von einer "fatalen Abschlussbilanz" des Bundesinnenministers. Schäuble habe in seiner Amtszeit die Gefahr durch Rechtsextremismus vollkommen unterschätzt. Der Bundesgeschäftsführer der Linken, Dietmar Bartsch, forderte zudem ein NPD-Verbot.