Angedacht sind Änderungen beim Kurzarbeitergeld und der Steuer für Unternehmen. Kanzlerin wirbt um Zuversicht.
Berlin. Die Stimmung sei gut gewesen, darin waren sich nach dem Gipfel im Kanzleramt alle einig - trotz der dramatischen Daten zum Wirtschaftseinbruch, die zeitgleich von den Wirtschaftsforschern herausgegeben wurden. Es habe keinen Forderungsmarathon gegeben, ließ Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wissen. Ein drittes Konjunkturpaket habe der Großteil der Runde abgelehnt.
Die Einzigen, die doch mehr staatliche Gelder zur Ankurbelung der Wirtschaft verlangten, waren die Gewerkschaftsvertreter in der knapp 40-köpfigen Runde. Vor Ort waren Berthold Huber (IG Metall), Frank Bsirske (Ver.di), Hubertus Schmoldt (IG BCE) und Michael Sommer (DGB). Sommer hatte schon im Vorfeld vor sozialen Unruhen gewarnt, die drohten, falls es angesichts der Krise zu Massenentlassungen komme. Es müssten neue Instrumente entwickelt werden, die die Unternehmen in die Lage versetzten, die Zeit ohne betriebsbedingte Kündigungen zu überbrücken. In der Politik kam Sommers Warnung gar nicht gut an: "Nachgerade absurd" sei die Vorstellung, so zu Guttenberg. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) ergänzte: "Ich würde mir eine solche Einschätzung nicht zu eigen machen."
Dabei waren es gerade diese beiden Minister, die gestern schlechte Nachrichten zu verkünden hatten: Die Bundesregierung rechnet mit einem wirtschaftlichen Einbruch in diesem Jahr von mindestens 5,0 Prozent, teilten Steinbrück und Guttenberg mit. Trotzdem warb Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) um Zuversicht. Die jüngsten Prognosen zeigten zwar, "dass wir einen schweren Wirtschaftseinbruch haben", sagte sie. Doch "der Mut, die Kraft und auch die Zuversicht, durch eine solche Wegstrecke zu kommen, ist bei uns im Land gut ausgeprägt". Die Kanzlerin versprach, alles zu tun, um Arbeitsplätze zu erhalten oder zu schaffen. Besonders für Auszubildende sollten Chancen geschaffen werden. Das Treffen habe den Zusammenhalt in der Gesellschaft deutlich gemacht, sagte die Kanzlerin.
Einzelne neue Maßnahmen soll es in den nächsten Monaten doch noch geben. Steinbrück zeigte sich offen für die Forderung von Industrie-Präsident Hans-Peter Keitel, noch vor der Bundestagswahl Korrekturen an der Unternehmenssteuerreform vorzunehmen. Infrage kämen hierfür vor allem Zinsschranke sowie Verrechnung von Verlusten. Angesprochen wurde auch eine mögliche Verlängerung des Kurzarbeitergeldes. Hierzu hatte Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) ebenfalls Bereitschaft signalisiert. Außerdem könne darüber nachgedacht werden, dass die Bundesagentur für Arbeit Sozialversicherungsbeiträge stärker als bisher übernimmt, um Arbeitsplätze zu sichern. Die Regierung erwägt auch weitere Exportgarantien. Größter Hemmschuh für eine wirtschaftliche Erholung ist nach Einschätzung der Runde die zurückhaltende Kreditvergabe der Banken. Ein wenig Hoffnung setzte Steinbrück auf die Auslagerung von faulen Krediten in sogenannte Bad Banks.
Die Opposition kritisierte das Treffen als nutzlos. "Die bisher von der Bundesregierung beschlossenen Mehrausgaben sind viel zu niedrig angesetzt, um einen deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern", monierte Linksparteichef Oskar Lafontaine. Sein FDP-Konterpart Guido Westerwelle wiederum forderte die Bundesregierung auf, ein "Strukturpaket" zur Ankurbelung der Konjunktur aufzulegen. Mit einem Abbau von Bürokratie und Investitionshemmnissen in den Bereichen Energie und Ausbau von Flughäfen könnten kurzfristig private Investitionen in Höhe von 50 bis 60 Milliarden Euro angestoßen werden, sagte Westerwelle: "Das kostet den Steuerzahler keinen Cent."