Die Bundesregierung warnt jedoch vor zu hohen Erwartungen an das „Konjunkturgespräch“. Auf die Banken dürfte der Druck erhöht werden, mehr Kredite an die Wirtschaft zu vergeben.

Berlin. Selbst das Abendessen im Kanzleramt war dem Ernst der Lage angemessen. Kein Festschmaus, sondern Grünkohl mit Kassler wurde den Spitzenleuten von Regierung, Banken, Unternehmen, Verbänden, Gewerkschaften sowie aus der Ökonomen-Riege gereicht. Bis es am Sonntagabend im Krisen-Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) überhaupt zur Sache ging, dauerte es. Wenn jeder der rund 30 Experten und Lobbyisten auch nur fünf Minuten Redezeit beanspruchte, waren schon einmal zweieinhalb Stunden ohne ein Ergebnis vergangen.

Die Bundesregierung warnte vor zu hohen Erwartungen an das "Konjunkturgespräch". Im Kabinett herrschte Unmut darüber, dass die Teilnehmerliste immer länger wurde. Mit so vielen Leuten sei eine ergebnisorientierte Diskussion kaum mehr möglich. Nun sollte jeder ausgiebig zu Wort kommen. "Vielleicht" könnte am Ende eine gemeinsame Einschätzung über die konjunkturelle Entwicklung im nächsten Jahr stehen, gab sich ein Regierungssprecher optimistisch.

Die vage Einschätzung kommt nicht von ungefähr. Denn nicht nur Verbände, Gewerkschaften und erst recht Wissenschaftler sind uneins über Dauer und Tiefe der Krise sowie das weitere Vorgehen. Auch im Kabinett gehen die Meinungen auseinander. Die SPD und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) sind gegen rasche Steuersenkungen. Die CSU und ihr Wirtschaftsminister Michael Glos fordern dies zusammen mit dem Wirtschafts- und Mittelstandsflügel der CDU immer energischer.

So warben Merkel und SPD-Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier vor der Runde für einen gemeinsamen Kraftakt von Wirtschaft, Politik und Gewerkschaften. Von einer "konzertierten Aktion", wie sie Bundespräsident Horst Köhler forderte, sprachen beide nicht. "Es kommt darauf an, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen", sagte die Kanzlerin, bevor sie im Kabinettssaal entschwand.

Merkel, die sich auf dem Brüsseler EU-Gipfel wieder zu zögerliches Krisenmanagement vorwerfen lassen musste, will sich alle Optionen offen halten. Dies sieht US-Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman als strategischen Fehler, er wirft Berlin sogar "Dummheit" vor. Die "Politik der ruhigen Hand" scheint jetzt vorbei. In Aktionismus wollen die Koalitionäre aber nicht verfallen: "Es muss kraftvoll gehandelt werden, aber auch mit Köpfchen", sagte Steinmeier.

Noch nie gab es zu einem Jahreswechsel für die Deutschen derart große Ungewissheit, was das kommende Jahr bringen wird. Ausgerechnet im Superwahljahr 2009 und in ihrem 60. Jubiläumsjahr steht die Bundesrepublik vor dem schärfsten Wirtschaftsabschwung und der wohl größten Herausforderung seit der deutschen Einheit. Die Regierung setzt offiziell noch auf Durchhalteparolen und ein Mini-Wachstum von 0,2 Prozent. Intern hat man sich davon aber längst verabschiedet. Immer mehr Ökonomen rechnen mit einem Rückgang von 2,0 Prozent und mehr.

Das Krisentreffen im Kanzleramt soll eine Entscheidungshilfe für ein mögliches zweites Milliarden-Konjunkturpaket sein. So bestand seitens der Regierung die Hoffnung, dass es in der 30er Runde eine "minimale Übereinstimmung" darüber gibt, welche Konjunkturhilfen am sinnvollsten sind. An Vorschlägen mangelt es nicht - die Summen bewegen sich zwischen 25 Milliarden oder gar 100 Milliarden Euro.

Am Ende dürfte es wohl ein Mix aus allem sein, auch um die große Koalition zusammenzuhalten. Auf die Banken dürfte schon bald der Druck erhöht werden, mehr Kredite an die Wirtschaft zu vergeben. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und Banken-Präsident Klaus-Peter Müller mussten sich im Kanzleramt sicher so manchen Vorwurf gefallen lassen. Fest steht schon jetzt, dass kommunale Investitionen vorgezogen werden, um das Handwerk zu stützen. Merkel will darüber schon diese Woche mit den Ministerpräsidenten sprechen. Auch die SPD sieht hier großes Potenzial. Ob es noch weitere Konjunkturhilfen geben wird, und wenn ja, welche, darüber entscheidet die Koalition im Januar.