Ärztekammer-Vize Montgomery: “Jeder Warnhinweis ist sinnvoll.“ FDP kritisiert: “Nur eine Symbolhandlung.“
Hamburg/Berlin. Bei Ramazzotti, Pernod und Havanna Club kann man es bereits nachlesen: Schwangere sollten keinen Alkohol trinken. Diese medizinisch belegte Erkenntnis steht auch hierzulande auf den Flaschen dieses Herstellers. In Frankreich ist es Pflicht, in Deutschland könnten die Alkoholproduzenten ebenfalls gesetzlich gezwungen werden, großformatige Warnhinweise auf die Etiketten zu drucken - auf Bier-, Wein-, Schnapsflaschen. So plant es die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing (SPD).
Noch in dieser Legislaturperiode soll durchgesetzt werden, dass auf jede Flasche ein durchgestrichenes Bild kommt, auf dem der Schattenriss einer Schwangeren zu sehen ist.
"Jeder Warnhinweis ist im Kern sinnvoll", sagte Frank Ulrich Montgomery, Vizepräsident der Bundesärztekammer, dem Abendblatt. Vor allem jüngeren Schwangeren müsse klargemacht werden, welche Risiken Alkoholkonsum berge. "Die Kinder haben eine gering erhöhte Fehlbildungsquote, sie sind deutlich kleiner, und es gibt bei den Geburten mehr Komplikationen", sagte Montgomery. "Schwangere sollten auch nicht nur ein bisschen trinken."
Bätzing sagte der "Rheinischen Post": "Jährlich werden 4000 Babys mit dem sogenannten fetalen Alkoholsyndrom geboren, also einer vorgeburtlich entstandenen Schädigung des Kindes durch den Alkoholkonsum in der Schwangerschaft." Gegen Warnhinweise wendet sich Detlef Parr (FDP), Mitglied des Gesundheitsausschusses im Bundestag: "Ich beobachte, dass wir auf dem Weg in eine Verbotsrepublik sind. Dieser Vorschlag ist wieder eine Symbolhandlung. Die Eigenverantwortung der Bürger hat doch auch beim Rauchen gegriffen, wo wir abnehmende Zahlen verzeichnen." Ärzte und Beratungsstellen könnten sich effektiver um die Zielgruppe der Alkohol trinkenden Schwangeren kümmern. Beim Alkoholkonsum von Schwangeren sei es ähnlich wie bei dem von Jugendlichen: "Aus den Exzessen lassen sich keine allgemeinen Regeln ableiten", sagte Parr dem Abendblatt.
Parrs Ausschusskollegin Maria Eichhorn (CSU) ist gespalten: "Grundsätzlich halte ich nichts von Warnhinweisen auf alkoholischen Getränken. Aber wenn es um Warnhinweise für Schwangere geht, sollte jedes Mittel recht sein, um auf die Schädlichkeit des Alkohols für das werdende Leben und die Neugeborenen hinzuweisen. Noch wichtiger ist jedoch, dass Ärzte und Hebammen die Schwangeren aufklären."
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) hatte bereits zum "Tag des alkoholgeschädigten Kindes" vor zwei Monaten Warnhinweise für Schwangere auf alkoholischen Getränken gefordert. "Das ist unbedingt erforderlich", sagte DHS-Geschäftsführer Rolf Hüllinghorst.
Die Drogenbeauftragte Bätzing musste zuletzt die Deutsche Fußball-Liga schriftlich beruhigen, dass es keine Werbe- und Sponsoringverbote im Umfeld der Bundesliga geben werde.
Dass Alkohol und Gesundheit einträchtig nebeneinander werben, zeigt der Hamburger SV. Dort sind auf der Homepage, bei Heimspielen auf den Stadionbanden und sogar auf der Sponsorenwand bei Fernsehinterviews die Logos der Holsten-Brauerei und der Techniker Krankenkasse zu sehen.