Ypsilanti will in den nächsten Wochen hinter Spitzenmann Schäfer-Gümbel ein wenig zurückstecken.
Berlin / Wiesbaden. Die blauen Briefe haben gewirkt: Jürgen Walter, Carmen Everts, Silke Tesch und Dagmar Metzger sind gestern Morgen nicht zur SPD-Fraktionssitzung im Wiesbadener Landtag erschienen. Gewundert hat das niemanden, immerhin hatte man die vier "Abweichler" ja nachdrücklich aufgefordert, künftig wegzubleiben. Wörtlich: "Mit dem von Euch an den Tag gelegten Verhalten habt Ihr das Vertrauen zwischen Euch und der Fraktion leider dauerhaft beschädigt."
Dass die vier Abweichler sich über diese Behandlung postwendend öffentlich beklagten - "Wir sind enttäuscht, dass die Fraktion nicht die Kraft aufbringt, unsere Gesprächsbereitschaft anzunehmen!" -, findet Reinhard Kahl, der parlamentarische Geschäftsführer der hessischen SPD-Landtagsfraktion, "gelinde gesagt etwas eigenartig". Zu den Fraktionssitzungen am vergangenen Montag und am Freitag seien Walter, Everts, Tesch und Metzger ja bereits freiwillig nicht gekommen. "Und inzwischen haben sie uns ihre Beweggründe ja über die Presse mitgeteilt."
Die Fraktionssitzung selbst, so Reinhard Kahl gegenüber dem Hamburger Abendblatt, sei harmonisch verlaufen. Die Fraktion sei entschlossen, "nach vorne zu gehen". Nach dem Motto: "Jetzt erst recht!" Die amtierende Fraktions- und Parteivorsitzende Andrea Ypsilanti habe versprochen, sich in den Wochen bis zur Landtagswahl "ein Stück zurückzunehmen". Man sei sich einig, dass der Fraktionskollege Thorsten Schäfer-Gümbel als neuer SPD-Spitzenkandidat derjenige sei, der im Wahlkampf die Hauptverantwortung für Themen, Personal und Organisation trage.
Reinhard Kahl bestätigte gestern auch, dass in der zurückliegenden Woche mehr als 100 Parteimitglieder aus der hessischen SPD ausgetreten sind. Und zwar nicht aus Sympathie mit Walter, Everts, Tesch und Metzger, sondern aus Unmut über den von Andrea Ypsilanti angestrebten und dann geplatzten Machtwechsel. Das sei absolut unlogisch, meinte Kahl gestern, und man bemühe sich, diese Parteifreunde zur Rückkehr zu bewegen. Kahl stellte gleichzeitig richtig, dass er den ehemaligen Landesvorsitzenden Gerhard Bökel keineswegs zum Parteiaustritt aufgefordert habe. "Ich habe nur gesagt: 'Man muss nicht Mitglied der SPD sein.'" Er bleibe allerdings dabei, so der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, dass sich Bökel in höchstem Maße illoyal verhalten habe. "Er hat niemandem von uns Bescheid gesagt, als er die Pressekonferenz der vier organisiert hat, und damit hat er uns schwer hintergangen." Aber auch darauf wolle man nun nicht länger zurückschauen.
Der Ältestenrat des Hessischen Landtags hat gestern Nachmittag beschlossen, für Mittwoch kommender Woche eine Plenarsitzung einzuberufen, auf der sich der Landtag selbst auflösen soll. In diesem Fall muss binnen 60 Tagen gewählt werden, sodass Neuwahlen wie erwartet am 18. Januar stattfinden könnten. Hessens geschäftsführender Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat währenddessen angekündigt, dass er dieses Mal finanz- und wirtschaftspolitische Themen in den Mittelpunkt seines Wahlkampfs stellen will. Das Reizthema Kriminalität von Ausländerkindern, das der CDU vor einem Jahr empfindliche Verluste beigebracht hatte, ist jetzt offenbar tabu. Die Partei, so Koch gestern, habe aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und Korrekturen vorgenommen.