In der SPD wabern Gerüchte, die Ypsilanti-Gegner wollten eine eigene Fraktion oder Partei gründen.
Berlin/Wiesbaden. In Berlin gab es gestern Hinweise, die "vier Abweichler" von Wiesbaden - in der hessischen SPD-Landtagsfraktion hält man deutlich weniger freundliche Bezeichnungen für Jürgen Walter, Carmen Everts, Silke Tesch und Dagmar Metzger bereit - planten die Gründung einer neuen Partei. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer, dem Andrea Ypsilanti in ihrem Kabinett den Posten des Wirtschaftsministers angeboten hatte, bestätigte gegenüber dem Hamburger Abendblatt, er habe von "Spekulationen dieser Art" gehört. Zugleich bestritt er, solche Gerüchte selbst zu verbreiten.
Reinhard Kahl, der parlamentarische Geschäftsführer der SPD im Wiesbadener Landtag, lieferte im Gespräch mit dem Abendblatt gestern eine Art offizieller Bestätigung dafür, dass sich Walter, Everts, Tesch und Metzger tatsächlich darum bemüht haben, zwei weitere SPD-Fraktionsmitglieder in ihr Boot zu ziehen, bevor sie am Montag vor die Presse traten und erklärten, sie könnten Andrea Ypsilanti "aus Gewissensgründen" nicht zur Ministerpräsidentin wählen. Er wisse, so Kahl, dass Marius Weiß und Michael Paris angesprochen worden seien.
Dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen. Entweder die vier haben tatsächlich nur nach moralischer Verstärkung gesucht, wie sie am Montag behauptet haben, oder sie haben bereits an den Fraktionsstatus gedacht. Und der ist auch im Wiesbadener Landtag nur von fünf Abgeordneten an aufwärts zu haben.
Noch sind Jürgen Walter, Carmen Everts, Silke Tesch und Dagmar Metzger weder aus der Fraktion, noch aus der Partei ausgetreten. Allerdings haben sie der SPD-Fraktion schon deutlich den Rücken gekehrt. Am Montagabend sind sie nicht zur Fraktionssitzung erschienen, was Reinhard Kahl trotz der vorherigen Turbulenzen befremdlich fand: "Sie waren eingeladen, aber sie waren nicht da." Nun sei man gespannt, so Kahl, ob man das Quartett am Freitagmorgen wiedersehen werde: "Um 10.30 Uhr ist die nächste Fraktionssitzung!"
Aus SPD-Kreisen stammen übrigens auch die Spekulationen, die vier SPD-Abweichler könnten sich auf die Seite der CDU und der FDP schlagen und Neuwahlen auf diesem Weg überflüssig machen. Das haben Walter, Everts, Tesch und Metzger gestern dementiert. "Wir werden", ließen sie erklären, "keinen von CDU und FDP gestützten Ministerpräsidenten wählen - wie auch immer er heißt."
Das Rätselraten, was diese vier wirklich wollen, kann also weitergehen. Gestern waren weder Jürgen Walter noch Carmen Everts für eine Stellungnahme zu erreichen, Silke Tesch hatte sogar den telefonischen Kontakt zu ihrem Abgeordnetenbüro unterbrochen. Und aus dem Büro von Dagmar Metzger hieß es am Nachmittag: "Sie muss sich jetzt überlegen, was sie tut."