Was die Ärzte für einfache Leistungen von der Kasse bekommen Mindestens 2,5 Milliarden zusätzlich.Ministerin Schmidt fordert Gegenleistungen, Wirtschaft stabile Beiträge.
Hamburg. Für die Ärzte war es die Mindestforderung. Doch die Krankenkassen stöhnen, die Politik sieht das Schlimmste abgewendet und die gesetzlich Versicherten müssen für die höheren Honorare der Mediziner tiefer in die Tasche greifen. 2,5 Milliarden Euro mehr bekommen die 149 000 niedergelassenen Ärzte - die höchste Steigerung seit Bestehen der ärztlichen Selbstverwaltung.
Damit ist das erreicht, was Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie der am 28. September zur Wahl stehende bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) den Ärzten versprochen haben.
Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, sprach von 2,7 Milliarden Euro plus. Rechnerisch entspricht das einem Krankenversicherungsbeitrag, der um 0,28 Prozentpunkte angehoben werden müsste. Das heißt: Wer 2500 Euro brutto im Monat verdient und einen durchschnittlichen Krankenkassenbeitrag zahlt, muss (Eigenanteil eingerechnet) für diesen Honorarsprung der Ärzte etwa 4 Euro im Monat extra berappen.
Ministerin Schmidt forderte die Ärzte auf, entsprechende Gegenleistungen zu liefern. "Wir erwarten, dass sich dies durchgängig in einer qualitativ hohen und guten Versorgung für die Versicherten niederschlägt." Auch solle mit der Reform erreichet werden, dass die unterschiedlichen Servicequalitäten bei gesetzlich und privat Versicherten der Vergangenheit angehören.
Die Mediziner hatten die Honorar-Anhebung gegen den Widerstand der Kassen zusammen mit dem unabhängigen Schlichter durchgesetzt. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sprach von einem "Schlag ins Gesicht der Beitragszahler". Hundt forderte mit Blick auf die schwächere Konjunktur die Bundesregierung auf, dafür zu sorgen, dass der Beitragssatz trotzdem stabil bleibt.
Kassen-Verhandlungsführer Johann-Magnus von Stackelberg forderte die Ärzte auf, ihre Praxen besser zu organisieren und die langen Wartezeiten zu verkürzen. Er rügte die Politik, die mit ihren öffentlichen Zusagen massiv in die Verhandlungen eingegriffen und den Verhandlungsspielraum der Kassen eingeschränkt habe. Dies müsse "das erste und letzte Mal gewesen sein". Er forderte von der Bundesregierung, den künftigen Einheitsbeitrag so festzusetzen, dass die Kassen keine Zusatzprämie erheben müssen.
Der FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr sagte, die Bundesregierung habe sich die Ruhe der Ärzte erkauft, um eine "verkorkste Gesundheitsreform" umzusetzen.
Mit der Reform wird die Vergütung in Ostdeutschland je Versicherten auf durchschnittlich 94 bis 95 Prozent des Westniveaus angehoben. Außerdem wird das komplizierte Punktesystem einfacher. Künftig soll jeder Arzt schneller sehen, wie viel er am Ende des Monats verdient. Die Jahresüberschüsse (vor Steuern) für die Behandlung der gesetzlich Versicherten schwanken zwischen 116 000 Euro (Radiologen) und 65 000 Euro (Hautärzte, Psychiater). Dazu kommen noch Privatpatienten. Doch das Gefälle zwischen den Bundesländern sowie zwischen Stadt und Land ist enorm. Die Ärztevereinigungen rechnen vor, dass ein Drittel aller Leistungen überhaupt nicht vergütet werde.
Der Chef der kritischen "Freien Ärzteschaft", Martin Grauduszus, nannte die Honorarsteigerung eine "überfällige Nachzahlung auf offene Rechnungen". Er fürchte weiterhin, dass der vertraute "Arzt um die Ecke", der freiberuflich und unabhängig arbeite, "ausgehungert und damit eliminiert" werden solle.