Der Philologenverband beklagt die deutsche Bildungsmisere. Hauptproblem sei die Überalterung der Kollegien und der fehlende Nachwuchs. Nach Auskunft der Hamburger Schulbehörde ist die Lage in der Hansestadt aber weitgehend entspannt. Hier gibt's keinen Lehrermangel.
Hamburg. Lehrer haben einen Halbtagsjob und viel zu lange Sommerferien - so lautet ein weit verbreitetes Vorurteil. Über dieses schlechte Image beklagt sich die Lehrerorganisation Philologenverband. Und über schlechte Bezahlung, geringe Karrierechancen, überalterte Kollegien und zu wenig Nachwuchs.
Die Folge: Ein dramatischer Lehrermangel wird das neue Schuljahr überschatten. Nach Angaben des Philologenverbands fehlen jetzt schon 20 000 Pädagogen an den Schulen. Der Vorsitzende des Philologenverbands, Heinz-Peter Meidinger, sagte der "Bild"-Zeitung, in den nächsten fünf Jahren gingen rund 150 000 der 800 000 Lehrkräfte in den Ruhestand. Bis 2013 könnten bis zu 40 000 Lehrer fehlen. Um gegenzusteuern, müssten nicht nur das Image des Lehrerberufs verbessert, sondern auch höheres Gehalt und bessere Karrierechancen geboten werden. "Der Lehrermangel ist das Hauptproblem der Bildungsmisere", sagte Meidinger. Laut Meidinger werden derzeit vor allem Lehrkräfte für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften gesucht. Ihr Anteil an den fehlenden Lehrern betrage rund 50 Prozent, er könnte bis 2013 auf bis zu 80 Prozent steigen. "Viele Lehramtreferendare wechseln direkt aus dem Referendariat in die Wirtschaft, weil sie dort besser verdienen", sagte der Verbandsvorsitzende. Um zumindest einen Teil der freien Stellen zu besetzen, griffen viele Schulen auch auf fachfremde Arbeitnehmer zurück. Unter anderem würden Förster, Dolmetscher und auch Studenten an Schulen unterrichten.
Der Bildungsforscher Klaus Klemm warnte vor den Auswirkungen der Hochschulreformen auf die Lehrerzahlen. Generell wollten die Hochschulen nach dem Bachelor-Studium möglichst wenig Studenten beim Master weitermachen lassen, um leistungsstarke kleine Gruppen zu haben. "Wenn sie das bei der Lehrerbildung auch machen, dann steigt der Lehrermangel ins Unermessliche."
In Hamburg ist die Situation nicht so dramatisch. Die Attraktivität der Stadt zieht Lehrer aus anderen Regionen an, sagte die Schulbehörde dem Abendblatt. Außerdem würden die Schülerzahlen in den kommenden Jahren sinken. Einen Mangel gibt es allerdings auch in Hamburg in den naturwissenschaftlichen Fächern. Deshalb wurden in den vergangenen Jahren 15 Seiteneinsteiger eingestellt: vor allem Diplom-Physiker und Mathematiker, die zuvor einen Vorbereitungsdienst absolviert hatten.
Bereits vor fünf Jahren hatte die Kultusministerkonferenz in ihrer Vorausberechnung des Lehrerbedarfs von 2002 bis 2015 erklärt, dass jährlich rund 3200 Lehrkräfte fehlen werden.
Weil die Qualität des Unterrichts durch zu große Klassen und Stundenausfälle leidet, schicken immer mehr Eltern ihre Kinder auf Privatschulen. Zwischen 1992 und 2006 stieg die Zahl der Schüler von allgemeinbildenden Privatschulen um fast 50 Prozent auf 656 000, das war laut Statistischem Bundesamt ein Anteil von 7,0 Prozent. 1992 waren es noch 4,8 Prozent, im Jahr 1950 nur 1,9 Prozent.
Neben den 2867 allgemeinbildenden Privatschulen gibt es 1844 berufliche Schulen in freier Trägerschaft. Die meisten Privatschulen sind konfessionell, gut 40 Prozent der Schüler besuchen katholische Einrichtungen. Die Bandbreite reicht von Internationalen Schulen über Internate mit Elite-Anspruch bis zu alternativen Unterrichtsformen.
International ist der Anteil der Privatschüler in Deutschland aber unterdurchschnittlich. Die OECD spricht von sechs Prozent der Schüler in überwiegend staatlich finanzierten Privatschulen gegenüber einem OECD-Schnitt von 11 Prozent und 0,2 Prozent in privat finanzierten Privatschulen (OECD: 8 Prozent).