Nur bei erheblicher Gefährdung dürfen Ermittler auf Vorrat gesicherte Daten verwenden. Klage war erfolgreich.
Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat die Massen-Speicherung von Telefon- und Internetdaten vorerst gebilligt, aber deren Nutzung zur Strafverfolgung deutlich eingeschränkt. Nach einer gestern veröffentlichten einstweiligen Anordnung dürfen die Daten bis auf Weiteres nur für die Verfolgung besonders schwerer Straftaten genutzt werden. Damit gaben die Richter dem Eilantrag von acht Bürgern teilweise statt. Karlsruhe geht von einer "erheblichen Gefährdung" des Persönlichkeitsschutzes aus.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) begrüßte es, dass die grundsätzliche Pflicht zur Speicherung der "für die Arbeit der Sicherheitsbehörden unerlässlichen Verkehrsdaten" bestätigt wurde. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sieht das Fernmeldegeheimnis gestärkt, hofft allerdings auf ein noch weitergehendes Urteil im Hauptsacheverfahren.
Nach dem Beschluss dürfen die gesammelten Daten zunächst nur bei Straftaten abgerufen werden, bei denen auch das Abhören von Telefonen zulässig ist. Dazu gehören Mord, Raub und Kinderpornografie, aber auch Geldwäsche, Korruption, Steuerhinterziehung und Betrugsdelikte. Die Straftat muss aber auch im konkreten Fall schwerwiegend sein, außerdem muss der Verdacht durch "bestimmte Tatsachen" begründet und eine Aufklärung ohne die Daten wesentlich erschwert sein.
Die Richter erlauben einstweilen, dass Telekommunikations- Unternehmen - wie seit dem 1. Januar vorgeschrieben - sämtliche Daten etwa über Zeit und Teilnehmer von Telefonaten speichern. Sie dürfen jedoch vor einer endgültigen Karlsruher Entscheidung nicht an Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden, wenn ihre Herausgabe zur Aufklärung weniger gravierender Delikte beantragt wird.
Nach Schäubles Worten sind die Karlsruher Vorgaben im Entwurf für das geplante BKA-Gesetz bereits berücksichtigt. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) betonte, dass die Strafverfolgungsbehörden mit der Interimslösung "gut leben" könnten.
Wann der Erste Senat im Hauptsacheverfahren über die Zulässigkeit der "Vorratsdatenspeicherung" entscheidet, ist noch offen. Nach der Regelung müssen seit Jahresanfang die Verbindungsdaten des Telefon- und von 2009 an auch des Internet-Verkehrs ein halbes Jahr lang gespeichert werden. Inhalte sind davon nicht betroffen. Beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg ist eine Klage gegen die EU- Richtlinie anhängig, auf die das Gesetz zurückgeht. Die Anordnung der Verfassungsrichter gilt zunächst ein halbes Jahr, kann aber verlängert werden.
Insgesamt haben - vertreten vom Berliner Anwalt Meinhard Starostik, der auch den Eilantrag gestellt hatte - mehr als 34 000 Bürger Verfassungsbeschwerde eingelegt. Weitere Beschwerden haben die meisten Mitglieder der Grünen-Bundestagsfraktion sowie eine Gruppe um die FDP-Rechtspolitiker Burkhard Hirsch und Gerhart Baum eingereicht.