ABENDBLATT: Was hat Sie bei der PISA-Studie 2007 überrascht?
ALEXANDRA DINGES-DIERIG: Deutschland liegt bei den Naturwissenschaften über dem OECD-Durchschnitt. Damit habe ich so schnell nicht gerechnet.
ABENDBLATT: Haben Sie eine Vermutung, woran das liegt?
DINGES-DIERIG: Nach der TIMS-Studie 1997, in der es um die Mathematik- und naturwissenschaftlichen Leistungen ging, haben wir das Bund-Länder-Projekt Sinus ins Leben gerufen. Die Frage ist, ob es einen Zusammenhang zwischen diesem Projekt und dem PISA-Ergebnis 2007 gibt. Es ist schon auffällig, dass es eine sinkende Tendenz im OECD-Durchschnitt gibt, während Deutschland einen deutlichen Anstieg von unterhalb auf oberhalb des Durchschnitts seit 2000 hat. Leider ist es aber so, dass das Interesse der Schüler an naturwissenschaftlich orientierten Berufen nach wie vor nicht groß ist.
ABENDBLATT: Die Koppelung zwischen sozialer Herkunft und schulischen Leistungen war ein erschreckender Befund früherer PISA-Studien für Deutschland.
DINGES-DIERIG: Ja, das ist die besondere Herausforderung, vor der wir in Deutschland stehen, wenngleich wir uns auch hier verbessert haben. Am besten stehen Finnland und Kanada da. Finnland hat mit zwei Prozent einen sehr geringen Migrantenanteil, während Kanada weltweit die selektivste Einwanderungspolitik praktiziert.
ABENDBLATT: Was bedeuten die PISA-Ergebnisse für Ihre Schulpolitik in Hamburg?
DINGES-DIERIG: Wir müssen weiter den Weg gehen, soziale Benachteiligungen in der Schule zu kompensieren - und zwar möglichst früh. Ein Schritt ist, dass wir die Frequenzen der ersten Klassen der Schulen in sozialen Brennpunkten auf durchschnittlich 19 Kinder verringert haben, ein weiterer Schritt ist die verpflichtende Sprachförderung. Die Wissenschaftler haben uns nach PISA 2000 gesagt: Deutschland gewinnt nur dann, wenn es gelingt, den Anteil der Schüler im unteren Kompetenzbereich zu senken. Das ist geschehen: von rund 23 auf jetzt 15 Prozent. In der Leistungsspitze liegen wir sogar über dem Durchschnitt.