Am 27. Januar wird in Hessen gewählt. Die Umfragen sind nicht allzu gut. Roland Koch versucht den Trend zu drehen. Mit Nudeln und süßen Desserts.
Lahrbach. Der Ministerpräsident ist in Geberlaune. "Wir kochen so viel, dass es am Ende auch für Sie reicht", ruft er den Studenten zu, die sich auf dem Marktplatz von Schlüchtern eingefunden haben, und jetzt wütend mit ihren Trillerpfeifen loslegen. Der Ministerpräsident schnippelt schwungvoll Tomaten und Paprikaschoten in die Pfanne. "Rote und Grüne kleinmachen", verkündet er zum Vergnügen der CDU-Sympathisanten, "das ist eine Aufgabe, die ich gern übernehme!"
Wenn das mal klappt am 27. Januar. Die Umfragen sagen Roland Koch nichts Gutes voraus: Einerseits prognostizieren sie 40 Prozent für die CDU und 7 für die Liberalen, andererseits 33 Prozent für die SPD, 11 für die Grünen. Und wenn die Linke bei der Landtagswahl ins Wiesbadener Parlament einzieht, ist nicht nur die absolute Mehrheit der CDU futsch. Dann reicht es nicht mal mehr für Schwarz-Gelb.
Dabei ist Kochs Bilanz gar nicht schlecht. In Hessen ist das Durchschnittseinkommen höher als anderswo, die Arbeitslosigkeit niedriger, die Zahl der aufgeklärten Straftaten ist auf Rekordniveau gestiegen, Unterrichtsausfall gibt es praktisch nicht mehr, und während vor acht Jahren fast jeder vierte Hauptschulabgänger ohne Abschluss blieb, so konnte diese Quote um fast schon sensationelle zehn Prozent gesenkt werden. Warum also klappt's nicht mit den Wählern?
Darüber haben sich die Strategen in der hessischen CDU auch ihre Gedanken gemacht, und sie haben die "Koch-Tour" erfunden: "Roland Koch kocht für Sie". Marmelade in Offenburg, Nudelpfanne in Schlüchtern, Pfannkuchen in Lahrbach, Wildgulasch in Hübenthal, Krustenbraten in Zwergen, Flammkuchen in Vöhl, Nudelpfanne in Dautphetal, Nudelpfanne in Alsfeld. . .
Vier Tage lang juckelt der MP in einem Bus, der beidseitig mit Großfotos von Roland Koch in Kochmontur beklebt ist, kreuz und quer durch die Provinz. Frau Koch fährt auch mit. Ob das eine gute Idee ist, weiß man allerdings nicht so genau. Denn Anke Koch guckt nicht gerade erfreut in die Gegend. Vielleicht, weil sie jederzeit mit einem kleinen Witz auf ihre Kosten rechnen muss. Zum Beispiel wie in Lahrbach, wo der Göttergatte jovial herausposaunt: "Wie ich sehe, ist meine Frau schon von der Produktion zur Eigenproduktion übergegangen." Oder wie in Hübenthal, wo er mit Blick auf die in vielen kleinen Schüsseln bereitgestellten Zutaten verkündet: "Sehen Sie, das ist genau die Art Kochen, die mir meine Frau ausgetrieben hat!"
Er ist ein glänzender Redner. Spricht klar und nie zu lange, wenn auch immer über dieselben Themen: Infrastruktur, Energie, Bildung, innere Sicherheit, die SPD und die Linke.
Er kämpft. Weil eine Kanzlerschaft in weite Ferne gerückt ist und zu Hause das Fundament bröckelt. Der Jurist Koch liebäugele mit einem Job jenseits der Politik, konnte man neulich schon lesen, aber das weist der 49-Jährige weit von sich. Er sei "voll motiviert" und seine hessische CDU auch, und dass man die schlechten Umfrageergebnisse "in der Pfeife rauchen" könne. "Weil die Leute gar nicht wissen, dass eine Wahl ansteht. Mehr als die Hälfte der Hessen wird das erst nach Weihnachten merken."
Der "konservative Reformer" (Koch über Koch) kämpft für die hessischen Atomkraftwerke Biblis A und Biblis B, für die Erweiterung des Frankfurter Flughafen ("40 000 neue Jobs") und für die Autobahn 44.
Er kämpft gegen die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti, die das Land mit Windrädern spicken und die Ganztagsschule obligatorisch machen will. "Frau Ypsilanti", erklärt Koch überall, "ist 'ne tolle Frau mit prima Ideen. Nur: Bei uns gehen die nicht." Beweis: "Die örtlichen Sozialdemokraten halten das mit den Windrädern ja genauso für Blödsinn wie wir". Er unterstellt Ypsilanti, dass sie entgegen ihren Versicherungen ("Mit mir wird es keine Koalition mit der Linken geben!") nach der Wahl umfallen wird.
"Wir leben im Land Holger Börners", ruft er den Zwergenern zu. Und der habe nach dem Motto "Ich-bin-Nassrasierer-und-muss-mich-morgens-im-Spiegel-angucken-können" auch mal geschworen, niemals mit den Grünen koalieren zu wollen. "Nach der Wahl war er Trockenrasierer!" Solche Pointen kommen gut an auf dem Dorf, wo mancher zum Krustenbraten ein Bierchen zischt und dem Bürgermeister im Überschwang die Bemerkung entfährt, es sei schön, "dass sich der Herr Ministerpräsident auch mal, ich will nicht sagen: hierher verirrt hat."
Roland Koch ist auf "Koch-Tour", um sich Landesvater zu präsentieren. Wohl wissend, dass ihn das Fernsehen kalt und abweisend aussehen lässt. Koch will, dass die Leute sehen: Es gibt nicht nur den ehrgeizigen Politiker, sondern auch den Menschen Koch. Einen Mann, der seit 24 Jahren mit derselben Frau verheiratet ist und seine Pfannkuchen mit der hübschen Bemerkung garniert, "die Sache" sei nicht kalorienfrei, "aber je selbstbewusster man sie hinnimmt, umso weniger setzt sie an".
Er ist durchaus gewinnend. Weicht keinem Blick aus, hört konzentriert zu, wirkt nie gehetzt. Einen einzigen unsympathischen Augenblick gibt es auf dieser Reise. Als Koch in Hübenthal erklärt, die Studenten, die morgens in Schlüchtern gegen die Einführung von Studiengebühren protestiert hätten, hätten sich "am Ende geschämt, von unserer Nudelpfanne zu nehmen". Beiläufig macht er diese Bemerkung. Und in diesem Augenblick fällt einem wieder ein, dass Koch einer ist, der die Wahrheit schon einmal öffentlich verbogen hat - damals, als er behauptete, von den Schwarzgeldkonten der hessischen CDU nichts gewusst zu haben.
Die Studenten haben Kochs Nudelpfanne nicht angerührt. Und selbstverständlich weiß das auch Roland Koch. Warum sagt er so etwas? Um eines Lachers willen? Der ist schnell verhallt. Weil er glaubt, über den Dingen zu stehen und sich alles herausnehmen zu können? Roland Koch macht seit 35 Jahren Politik. Er sollte wissen, dass solche Fehler tödlich sein können.
Vier Tage dauert seine "Koch-Tour". In Marburg kommen sich die beiden Spitzenkandidaten einmal ganz nahe: Ypsilanti besichtigt das Marburger Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk, Koch kocht fünfzehn Kilometer weiter westlich in Dauphtetal seine Nudelpfanne. Im Regen werden ihm rote Paprika gereicht. "Sie können sich vorstellen", sagt der Ministerpräsident schon ein bisschen heiser, "dass ich gern was Rotes kleinhacke!"