Hinter Bollhagen. Dass sie es bis zum Zaun schaffen würden, haben sie selbst kaum für möglich gehalten. "Wir sind am Ziel", rufen sie und hüpfen übermütig hin und her. Es ist eine bunte Truppe, die über Felder und Wiesen bis an die Kontrollstelle in Hinter Bollhagen vorgedrungen ist - trotz aller Sicherheitskontrollen. Frauen mit Lockenperücken und roten Nasen, Männer in langen Kleidern und mit ausgestopften Brüsten, eine Armee von 40 Clowns.
"Wir sind seit heute Morgen unterwegs", erzählt einer mit verstellter Stimme. Eine andere rüttelt schon vorn am Tor. Von irgendwo tönt eine Flöte. Polizisten beziehen Stellung, bilden eine Kette. Auch die Hundestaffel positioniert sich an der Einfahrt. Dann wird die Clowns-Armee von Polizisten umringt.
Es war die letzte Zufahrt in das Sicherheitsgebiet rund um das G-8-Tagungszentrum in Heiligendamm, vor dem an diesem Mittag noch keine Demonstranten sitzen. Seit den frühen Morgenstunden sind sie aus allen Richtungen unterwegs, um am Ankunftstag der Regierungschefs Straßen zu blockieren. Trotzdem bleiben die Einsatzkräfte betont gelassen. "Solange wir die Straße nicht brauchen, sollen die da ruhig sitzen", sagt Polizeisprecher Reinhard Hoing. Auch am westlichen Tor lässt Marco Strübe, Zugführer aus Hannover, seine Männer und Frauen die Visiere hochklappen. Hinter dem Zaun des nahen Wasserwerks stehen einige Anwohner und gucken neugierig zu. "Wir lassen sie jetzt abziehen", sagt Strübe dann. Auf Kommando stellen sich die Clowns in Zweierreihen auf und ziehen winkend ab. In der Luft kreist ein Hubschrauber. Auf dem Flughafen Rostock-Laage ist der italienische Staatschef Romano Prodi gelandet.
Sie sind überall. In kleinen Gruppen streifen G-8-Gegner durchs Gelände, auf Waldwegen, über Wiesen und Felder. 10 000 sollen es nach Polizeiangaben sein. Jasper (24) ist allein in der Sperrzone mit dem Fahrrad unterwegs, als er von einer Polizeikontrolle bei Klein Bollhagen angehalten wird: Sein Personalausweis wird kontrolliert, der schwarze Rucksack untersucht. "Sie kennen das Prozedere. Wenn Sie noch einmal angetroffen werden, gibt es Ärger", warnt ihn der Polizist. Dann radelt Jasper weiter.
Am Zaun in Hinter Bollwagen zieht die Polizei inzwischen ihre Kräfte weiter vor. Inzwischen sind etwa 20 Konfliktmanager im Einsatz. Doch die Clowns denken gar nicht daran, die Straße zu räumen. Sie singen, hüpfen und tanzen herum - scheinen mit den Beamten zu spielen. Erst als aus dem Tor ein Räumpanzer kommt, schlägt die Stimmung um. Kurzerhand räumt die Polizei die Straße. Als später einige 100 Demonstranten eine Kreuzung in der Nähe blockieren, setzt die Polizei sofort Wasserwerfer ein. Am Abend meldet die Polizei, dass sich einzelne Personen vermummen und mit Steinen bewaffnen. Es wird eine lange Nacht.
141 Festnahmen, Steinwürfe - Polizei löst Blockaden auf
Mit Blockaden, dem Einsatz von Wasserwerfern und 141 Festnahmen ist die Situation kurz nach Beginn des G-8-Gipfels am Mittwochabend eskaliert. Am Kontrollpunkt Hinter Bollhagen seien die Ordnungskräfte mit Wasserwerfern vorgegangen. Wie die Polizei weiter mitteilte, wurden 24 Personen zur Unterbindung von Straftaten in sogenannten Gewahrsam genommen. Außerdem wurden in der Region um Heiligendamm zwei Straßenblockaden aufgelöst.
Die Sicherheitsmaßnahmen mit einem der größten Polizeieinsätze der deutschen Geschichte waren offensichtlich lückenhaft. Bereits unmittelbar vor dem Eintreffen der Staats- und Regierungschefs überschritten Tausende Demonstranten Sicherheitslinien und versammelten sich am zwölf Kilometer langen Schutzzaun rund um das Tagungshotel. Polizisten gingen mit Gummiknüppeln gegen Demonstranten vor. Wasserwerfer hielten die Menge, aus der Steine flogen, auf Distanz. Hubschrauber flogen Verstärkung ein.