Kommentar: Islamkonferenz in Berlin
Man darf wirklich das Wort historisch in den Mund nehmen, wenn man von der gestern gestarteten Islam-Konferenz berichtet. Nie zuvor hat sich eine Bundesregierung die Mühe gemacht, sich direkt mit der nicht kleinen, aber durchaus zersplitterten Minderheit von über drei Millionen Muslimen auseinanderzusetzen. Sie zu fragen nach ihren Bedürfnissen und Lebensvorstellungen. Ihnen zu sagen, welche Anforderungen das gemeinsame Leben in Deutschland wiederum stellt. Es ist höchste Zeit dafür.
Dabei geht es nicht um eine bessere oder eine schlechtere Religion, um Mehrheit oder Minderheit, sondern nur darum, was das Grundgesetz an Freiheiten bietet und an Pflichten verlangt. Danach muss sich jeder Mensch richten, der in Deutschland lebt - egal, welcher Konfession.
Diese Konferenz hat die große Chance, die Muslime aus der Ecke herauszuholen, in die sie sich vor allem durch die Terrorverdächtigungen gedrängt fühlen. Manchmal ziehen sie sich dahin zurück. Dafür werden sich ihre Vertreter aber heiklen Fragen, wie nach der Rolle von Gewalt im Islam oder der Gleichberechtigung von Mann und Frau, stellen müssen. Im Gegenzug erhalten sie ein lange gefordertes Forum, sich Anschuldigungen und Vorurteilen entgegenzustellen, aber auch eigene Vorstellungen durchzusetzen.
Wie groß der Diskussionsbedarf ist, wurde gleich gestern deutlich. Schon die erste Sitzung war länger als geplant, und die Themenliste wurde unvermutet um einen Punkt erweitert: Passender hätte die Islam-Konferenz nicht beginnen können als mitten in der Aufregung um die aus Angst vor gewalttätigen Islamisten abgesetzte Mozart-Oper "Idomeneo" in Berlin. Muslime reiben sich anders als vielleicht erwartet darüber ebenso verwundert die Augen, wie andere. Genau dies ist einer der Gründe, warum der Dialog auf höchster Ebene so überfällig ist.