K O M M E N T A R

Das Wesen der Demokratie besteht vor allem in der Kontrolle der Macht. Und was ist das Wesen der Marktwirtschaft? Für den normalen Bürger stellt sich die Antwort gegenwärtig so da: ungehemmte Selbstbedienung von Managern, Bilanzfälschungen, Jagd nach Shareholder-Value (Steigerung des Unternehmenswertes zum Nutzen der Aktionäre). Immer mehr Ereignisse der vergangenen Monate zeigen an, dass hier und dort in der Wirtschaft Triebkräfte am Werke sind, die mit dem guten alten Modell des Rheinischen Kapitalismus nicht mehr viel zu tun haben. Wo einst Stetigkeit und Zuverlässigkeit herrschten, regiert heute der Zwang schneller Erfolge. Gerade die am Ende in eine gewaltige Blase mündende New Economy hat aber gezeigt, welche Konsequenzen daraus entstehen. Der amerikanische Notenbankchef Alan Greenspan prägte die Formel von der "ansteckenden Gier". Er hätte hinzufügen können, dass der globale Kapitalismus auch einen neuen Typus des Unternehmers kreierte, der sich den Regeln der alten Wirtschaft nicht mehr unterwerfen will. Der Preis für diese Entwicklung ist hoch. Das junge Pflänzchen mit Namen Aktienkultur beginnt in Deutschland schon wieder zu verdorren. Das Vertrauen vieler Bürger in die Marktwirtschaft, einer der Bausteine unserer Demokratie, schrumpft. Liegt der Ausweg aus der Misere in einem Kontrollsystem, wie es die Politik kennt? Dort sind die Parlamente zuständig für die Kontrolle der Exekutive. Sie tagen öffentlich und sorgen für Transparenz. Bei Aufsichtsräten erfolgt Kontrolle allenfalls durch Vertreter der Arbeitnehmerseite, also der Gewerkschaften. Und auch da ist Kungelei, wie der Fall Zwickel zeigt, nicht auszuschließen. Schärfere Kontrolle wäre gewiss gut. Besser wäre ein neues Bewusstsein in manchen Führungsetagen, das den schlichten Namen Anstand trägt.