Es ist ein alter, aber ebenso falscher Reflex der Politik, Krisen mit einem kräftigen Dreh am Geldhahn bekämpfen zu wollen. Man kann ein Fass ohne...
Es ist ein alter, aber ebenso falscher Reflex der Politik, Krisen mit einem kräftigen Dreh am Geldhahn bekämpfen zu wollen. Man kann ein Fass ohne Boden nicht dadurch füllen, dass man immer mehr Geld hineinschüttet. Man muss den Boden neu zimmern. Auch die EU-Staats- und -Regierungschefs einigten sich jetzt auf ein gemeinsames EU-Konjunkturpaket. Fünf Milliarden Euro Steuergelder umfasst es, auszugeben für Investitionen in Breitband- und Energienetze. Das Paket soll auch ein Zeichen der Solidarität sein. Nicht erwähnt wird dabei, dass diese fünf Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt Gelder sind, die bisher nicht ausgegeben werden konnten, weil bislang nicht genug qualifizierte Projekte dafür vorhanden waren. Deshalb ist die Frage angebracht: Warum sollte es sinnvoll sein, Geld mit Umweg über die EU auszugeben? Denn alle EU-Staaten haben aufaddiert bereits 400 Milliarden Euro als direkte und indirekte Konjunkturhilfen in die Wirtschaft gepumpt.
Die EU sollte stattdessen die Probleme lösen, für deren Ursache sie selbst Verantwortung trägt: endlich konsequent Bürokratie abbauen! Übermäßige EU-Regulierung in inzwischen allen Branchen macht das Wirtschaften in Europa immer teurer. Und neue Investitionen werden durch bürokratische Vorgaben immer schwieriger. Regeln abschaffen würde sehr viel mehr bringen als jedes weitere Konjunkturpaket. Fast schizophren mutet es zum Beispiel an, dass die EU auf der einen Seite der Automobilbranche immer mehr Vorgaben macht, auf der anderen Seite aber gerade dort mit Finanzhilfen Geld der Steuerzahler hineinsteckt.
Allein in Deutschland warten über 20 Milliarden Euro privates Geld darauf, in den Ausbau der Energieinfrastruktur investiert zu werden. Beim Ausbau von Flughäfen könnten weitere 20 Milliarden private Investitionen fließen, wenn bürokratische Schranken dies nicht verhindern würden. Doch stattdessen steht am Ende des Gipfels wieder ein Beschluss, den jeder Staatschef zu Hause irgendwie als Erfolg verkaufen kann. Das Problem im Kampf gegen die Wirtschafts- und Finanzkrise sind eben nicht nur faule Kredite, sondern auch faule Kompromisse. Es ist fahrlässig, dass das Wettbewerbsrecht speziell für die Deutsche Telekom gelockert wird. Kanzlerin Merkel hat sich hier auf einen schlechten Handel eingelassen: Ein deutscher Konzern bekommt Sonderbehandlung, die deutschen Steuerzahler überweisen dafür mehr nach Brüssel. Das ist Hinterzimmergekungel par excellence und für uns alle teuer.
Schließlich: Der Notfallfonds für akut in Finanznot geratene Mitgliedstaaten wird auf 50 Milliarden Euro verdoppelt. Aber: Mit dieser Einigung zum Notfallfonds hat die EU wieder einen Rückfall in altes Ost-West-Denken. Die Hilfen werden auf eine Gruppe von Mitgliedstaaten im Osten der Union beschränkt; keine Frage, Ungarn und Lettland brauchen dringend Unterstützung. Aber warum werden Länder der Eurozone ausgeklammert, wenn doch Griechenland und Irland inzwischen auch schlecht dastehen? Das ist Unsinn.
Vor nicht einmal drei Wochen hatten sich die EU-Chefs noch darauf geeinigt, kein "Osteuropa-Hilfsprogramm" aufzulegen. Stattdessen sollte von Fall zu Fall entschieden werden. Diesen richtigen Weg hätte man fortsetzen müssen. Die Europäische Union muss gerade in der Krise geschlossen und entschlossen handeln. Sie muss an ihren Grundsätzen festhalten. Denn klar ist: Kein europäisches Land ist in der Lage, der Krise im Alleingang etwas entgegenzusetzen. Ohne den Euro hätte die Finanzkrise schnell zur Währungskrise werden können mit fatalen Folgen für unsere Exportwirtschaft.
Die 27 EU-Mitgliedstaaten müssen sich daher so schnell wie möglich auf gemeinsame Prinzipien der Finanz- und Bankenaufsicht einigen. Mehr Aufgaben für den Internationalen Währungsfonds sind ein richtiger Schritt, reichen aber nicht. Wenn die EU hingegen ein Signal der Einigkeit mit nach London zum Weltfinanzgipfel der G20 tragen würde, dann käme auch G20 nicht an dieser Verständigung vorbei. Und damit wäre eine echte Lehre aus der Krise gezogen.